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Schwester wieder an, die ihre Gedanken nicht von dem Klavier losreißen konnte.

„Einen Ton — ? Töne, Schwester, Töne! Und zwar den ganzen Tag und die halbe Nacht, vielleicht nicht immer die richtigen — aber das kommt doch schließlich erst in zweiter Linie. Die Hauptsache ist, daß man darauf spielen kann!“

„Und das Badezimmer — das Badezimmer?“ drängte man den Leutnant, „vergessen Sie nicht das Badezimmer!“

„Glänzend eingerichtet,“ versicherte der Leutnant ernsthaft, „man nimmt einen Stock, stößt ihn tüchtig in den Erdboden, und überall, wo man will, kommt sofort das Wasser — !!“

Przemysl, den 21. Jänner 1915,
     am 77. Tag der 2. Belagerung.

Not macht erfinderisch; und da die Not hier groß ist, braucht es helle Köpfe!

Vor kurzem kam ein Leutnant in Pikulice auf den Gedanken, für die Mannschaft einen Ersatz für Pelzwesten zu schaffen. Man stelle sich eine lange Weste aus doppeltem Stoff vor, in die alles eingenäht wird, was warm hält und was der Mann draußen im Feld sich beschaffen kann, wie Heu, trockenes Laub, Papier, Fetzen usw. Man kann diese Weste so lang und so stark gefüllt machen, wie man will, und was die Hauptsache ist, sie ist billig und leicht herzustellen.

Ein Unteroffizier kam auf einen Schuhsohlenersatz. Es besteht nämlich schon lange ein schreiender Ledermangel, und Militär und Zivil läuft seit Wochen in zerrissenen Schuhen herum. So erzeugt man jetzt Schuhsohlen aus Hadern, 6—12 Lagen übereinandergesteppt

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/118&oldid=- (Version vom 1.8.2018)