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Die Köpfe hell und hell die Herzen,
Ein gutes Lachen unter Schmerzen,
Und der Verdruß
Beim Ruß!


Przemysl, den 26. Jänner 1915,
     am 80. Tag der 2. Belagerung.

Das Druckpapier für „Die Kriegsnachrichten“ ist zu Ende. Man kauft das letzte Seidenpapier, Packpapier auf, und die „Kriegsnachrichten“, die „Tabori Ujsag“ und deren polnische Ausgabe fliegen in roten, blauen, grünen und gelben Exemplaren durch die Gassen.

Zu keiner Zeit war die Zeitung so viel wie heute, wo jede Stunde ein großes Geschehen bringt. Zu keiner Zeit war der Mensch so besessen von Hunger nach Nachrichten, von Gier nach Nachrichten.

Und Przemysl? Die belagerte Festung, die seit Monaten nur von den lakonischen Radiogrammen lebt, die von draußen hereindringen und die unter dem Titel „Kriegsnachrichten“ fast täglich in einem Einzelblatt veröffentlicht werden. Nur der kann fassen, was die „Kriegsnachrichten“ für Przemysl sind, der morgens, wenn sie ausgegeben werden, durch die Straßen geht.

Vom frühen Morgen an warten die Leute vor der Druckerei. Die ganze Straße ist abgesperrt von Menschen. Juden im Kaftan, mit traurigen Augen, Offiziersdiener, von ihrem Herrn geschickt, polnische Gymnasiasten, dienstfreie Offiziere und Schwestern und Mannschaften — Mannschaften.

Und wenn dann endlich die Zeitungsjungen aus der Druckerei gelaufen kommen, in jeder Hand ein Bündel Blätter, stürzt sich der Deutsche auf die „Kriegsnachrichten“, die Honveds entführen dem Jungen die „Tabori Ujsag“ über dem Kopf hinweg und die Gymnasiasten

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)