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zurückgeworfen. 40 Geschütze, 60 Maschinengewehre und viel anderes Kriegsmaterial erbeutet, das sich noch nicht übersehen läßt. Bis jetzt mehr als 50 000 Russen gefangen genommen.“

Die Deutschen packen sie im Norden, wir packen sie im Süden.

Herrgott, es geht vorwärts!

Przemysl, den 18. Februar 1915,
     am 103. Tag der 2. Belagerung.

Im ersten Kaffeehaus der Festung bekommt man schon seit einem Monat nur mehr Tee, natürlich Tee ohne Rum, augenblicklich nur mehr mit einem Stück Zucker. Die Stammgäste kommen mit einem Stück Zucker in der Tasche hin, d. h. die wenigen Glücklichen, die noch eines besitzen. Wenn man genügend über die „Kriegsnachrichten“ debattiert hat, liest man dort, in Ermanglung von Zeitungen, das Konversationslexikon. Hie und da bringt ein menschenfreundlicher Flieger eine Zeitung aus dem Hinterland mit, über die alle so gierig herfallen, daß sie der Cafetier an die Wand nagelt. Dann drängt man sich tagelang davor, schlingt sie heißhungrig bis zum letzten Buchstaben, zieht ein Notizbuch hervor und schreibt sie für seine Kameraden ab.

Da alle Herren-Artikel schon vor der ersten Belagerung, in den Tagen des Durchmarsches unserer Armee so gut wie ausverkauft waren, kaufen Offiziere und Mannschaften zum Ersatz Damensachen. Man erlebt in den Geschäften die drolligsten Szenen. Von den Damen-Winterhandschuhen, Strümpfen, Tüchern, Spenzern, Wolljacken, Hausschuhen usw. will ich gar nicht reden.

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/132&oldid=- (Version vom 1.8.2018)