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schwerverwundeten Offizieren einen Wiener, dem eine Granate den Oberschenkel zerschmettert. Er leidet schwer und trägt mit einer bewunderungswürdigen Heiterkeit der Seele. Es tut uns allen das Herz weh, daß man ihm die Amputation des Beines kaum wird ersparen können, wenn auch vorher alles versucht werden wird, um es zu retten.

Przemysl, den 20. Februar 1915,
     am 105. Tag der 2. Belagerung.

Die Russen haben bei Pod Mazurani einen großen Angriff mit starken Kräften unternommen. Es war ein fürchterliches Hinschlachten. Die Unseren ließen sie an manchen Stellen kaltblütig bis auf 150 Schritt herankommen und feuerten dann mit Kartätschen, Schrapnells, Maschinengewehr- und Infanteriesalven hinein. Sie fielen zu Hunderten und Hunderten, in ganzen Reihen. An manchen Werken soll nicht ein einziger der Stürmenden mit dem Leben davongekommen sein.

Unsere Leute kämpfen mit der Wut der Verzweiflung. Ein Honvedregiment wurde kommandiert, einen russischen Stützpunkt mit Bajonettsturm zu nehmen. Es war ein Ringen Brust an Brust. Unsere Leute schlugen sich wie Rasende. Die Offiziere konnten sie nicht mehr halten, sie griffen zu den Gewehrkolben und schlugen die Russen damit nieder. Ein einziger Russe soll übrig geblieben sein, den einer unserer Offiziere seinen Leuten buchstäblich aus den Händen riß.

Erschöpft, die Nerven überreizt, sind sie durch die Leiden so vieler Monate bis zum äußersten gebracht.

Gott steh' ihnen bei!

„Unsere Truppen sind in Czernowitz eingezogen! Nördlich Kolomea und Nadworna sind größere Kämpfe

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/134&oldid=- (Version vom 1.8.2018)