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auf, was man findet, Bücher, Papiere, Bleistifte, Federn, Zwirne, Nadeln, usw., besonders aber alte Kopierbücher, sogar beschriebene, die man zu Zigarettenpapier verschneidet.

Auch Spiele aller Art, besonders Kartenspiele und Schachspiele werden in den Spitälern leidenschaftlich begehrt. Da es längst schon kein Schachbrett mehr zu kaufen gibt, kam ein findiger Geschäftsmann auf die Idee, seine mit einem Schachbrettmuster bedruckten Linoleum-Tischdecken als Schachbrett im Auslagefenster zu empfehlen! Alle diese und ähnliche Dinge kann man nur mit viel Glück und im besten Fall unter der Hand bekommen. So brachte der Friseur unseren verwundeten Offizieren im Spital ein Kartenspiel, das 2 kg Zucker und 1/2 Liter Rum, oder 37 K kostet!

Przemysl, den 9. März 1915,
     am 122. Tag der 2. Belagerung.

Heute kam ein Teil unserer mobilen schweren Geschütze, 30,5 cm- und 24 cm-Mörser durch die Stadt, um gegen Süden verschoben zu werden. Es scheint, daß die Russen sich dort mit ihrer Hauptkraft konzentrieren, um unsere Entsatzarmee zu erwarten.

Wir wissen keine Einzelheiten über die Lage, doch schwirren ununterbrochen frohe Gerüchte durch die Stadt. Sie erfahren aber keine offizielle Bestätigung und es hat sich daraus die Anschauung gebildet, daß man keine Hoffnungen erwecken will, solange man nicht ganz sicher ist, sie nicht etwa wieder enttäuschen zu müssen. Es heißt auch, daß die „Kriegsnachrichten“ einige Tage nicht erscheinen werden, weil man keine Details veröffentlichen will.

Die ganze Stadt liest gespannt in dem Gesicht unseres Festungskommandanten und freut sich, wenn er mit

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/142&oldid=- (Version vom 1.8.2018)