Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/144

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

immer auf dem Posten, immer im Angesicht des Feindes. Es kommen die traurigsten und seltsamsten Nervenpsychosen unter ihnen vor, verursacht durch Unterernährung und durch übermenschliche Anspannung. Nun kommt in die müden, vom Frost geröteten, starren Augen wieder ein Lebensfunke. Ein furchtbarer Druck beginnt sich langsam, langsam zu lösen.

Gott, Gott, sei mit uns, wirf uns nicht noch einmal zurück in den Abgrund!

Przemysl, den 12. März 1915,
     am 126. Tag der 2. Belagerung.

Heute nach 10tägigem ununterbrochenen Schneewetter, eisigem Wind und Frost zum erstenmal wieder ein Sonnenblick.

Besonders gestern und vorgestern schneite es ununterbrochen den ganzen Tag, türmte hohe Schneewehen auf und der trockene Schnee wirbelte, vom Winde gejagt, durch die Luft. Der Schnee liegt fast so hoch wie im Winter und heute früh hatten wir beinahe 10 Grad Kälte.

Dieser Nachwinter ist eine böse Sache für uns, und unsere Entsatzarmee und kann sie wieder um Wochen aufhalten.

Die Krankheiten nehmen in der Festung immer mehr zu. Gestern abend kamen gleichzeitig 80 Honved in das Spital, die meisten an übermäßiger Erschöpfung leidend.

Wir können nicht mehr lange warten!

Vorgestern abend sah man einen Riesenbrand in der Richtung auf Lemberg. Viele glauben, daß die Russen Medyka räumen und in Brand gesteckt haben, Dasselbe sagt man auch von Dynow.

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/144&oldid=- (Version vom 1.8.2018)