Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/161

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Umsinken. Nur nicht denken müssen. Sich ausstrecken und schlafen.

Und dann nagt der Wurm im Gehirn: „Auf! Auf! Man kann jede Stunde kommen, ihn holen. Ihr habt einander noch so viel zu sagen. Macht euch fertig! Seid jede Stunde bereit!“

Dann nimmt mich mein Mann in seine Arme: „Was wirst du tun, Kind?“

„Ich werde mit dir in Gefangenschaft gehen. Die Russen werden es mir erlauben. Ich habe gestern mit einem russischen Offizier darüber gesprochen. Er war sehr entgegenkommend und freundlich und hat mir gesagt, daß es nicht ausgeschlossen sei, daß ich die Erlaubnis bekomme, mit dir zu gehen."

„Mit dem Transport darfst du mir nicht mitkommen. Das ist zu anstrengend für dich. Du könntest nur allein nachkommen. Und wenn du mir krank wirst?“ Zwei liebe Augen schauen mich tödlich gequält an, eine liebe Hand streichelt meine erschreckend schmal gewordenen Wangen. „Ich weiß, du bist am Ende deiner Kräfte!“

„An Mamas Verzweiflung muß ich immerzu denken, wenn ich mit in Gefangenschaft ginge. Immer habe ich das vor Augen!“

„Geh' heim, Kind! Du kannst mit den Roten-Kreuz-Schwestern reisen, oder du bittest um einen Paß und schließt dich zur Heimreise einer zweiten Offiziersfrau an. Geh' heim und werde mir stark und gesund, bis ich wiederkomme! Laß mich dich mit hellen Augen und roten Wangen wiederfinden!“

Ich bin müde, todmüde, zu müde um zu denken und zu sprechen, so müde, daß ich selber weiß, ich müßte irgendwo unterwegs zusammenbrechen.

So wird beschlossen, daß ich heimfahre.


Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)