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Kolonie ihrer Heimat stehen, die Schenkungen und Stiftungen geschaffen haben.

„Ja, ja, Kinners, ne dolle Geschichte! Und dat döllste daran ist, daß ich doch eigentlich von Geburt ein Russe bin! In Rußland geboren, in Rußland studiert, in Rußland ein Menschenleben gearbeitet. Jetzt schieben sie mich in meine „Heimat“ nach Deutschland ab. Ich habe nie in Deutschland gelebt. Vor 60 Jahren ist mein Vater eingewandert. Aber, Kinners, ich sag' euch doch, mir kann's nur recht sein!“

Hell klingen die Champagnerkelche aneinander.

„Heil Österreich-Ungarn! Heil Deutschland! Heil unserer stolzen Waffenbrüderschaft!“


Wien, den 1. Juni 1915.

Wien finde ich wieder am Tage der Kriegserklärung Italiens! Ernster als zu Kriegsausbruch, wie ich es verließ, leidgereift, sturmerprobt, aber noch glühender und inniger zusammengeschweißt.

Es ist als ob die furchtbare, übermenschliche Belastungsprobe dieses Kriegsjahres unsere Sehnen und Muskeln noch gestärkt und widerstandsfähiger zum Tragen gemacht.

Und die Schmach der Kriegserklärung Italiens trifft keinen Gebrochenen und hetzt ihn in die Verzweiflung, nein, diese Schmach ist der züngelnde Peitschenschlag, der uns auf die Füße stellt wie einen einzigen Mann, der ganz Österreich-Ungarn, ganz Deutschland zu einer einzigen lodernden Flamme verschmilzt!


Im österreichischen Hauptquartier, den 4. Juni 1915.

Die Glocken läuten, die Fahnen wehen, Musik braust durch die Gassen. Die Menschen auf der Straße lachen

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/198&oldid=- (Version vom 1.8.2018)