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Der Hauptmann griff nach seinen Aufzeichnungen. Dann gab er mir alle traurigen Details.

Ich war so erschüttert, daß ich in Tränen ausbrach. Ich dachte an meine Freundin, und das Herz wollte mir stille stehen.

Der Hauptmann fügte noch hinzu, wie Oberleutnant Freiherr von M... am Abend vor seinem Heldentod mit seiner Kompagnie als Verstärkung an eine schwer bedrohte Stelle herangezogen ward.

„Wie kann ich dir helfen?“ fragte er den Hauptmann.

„Geh an meinen rechten Flügel!“

Das waren die letzten Worte, die die beiden gewechselt haben. In derselben Nacht fiel Freiherr von M...

„Wir haben ihn tief betrauert," sagte der Hauptmann. „Wir haben ihn alle sehr gern gehabt — ein schneidiger junger Offizier.“

Ich war tagelang ganz wund —— immer sah ich meine Freundin vor mir und die beiden Kleinen.

Przemysl, den 11.November 1914,
     am 5. Tag der 2. Belagerung.

Ich hatte nicht den Mut, an meine Freundin zu schreiben. Immer noch klammere ich mich an den Gedanken, M. sei vielleicht nur schwer verwundet und liege irgendwo in einem Spital. Oder sei als Schwerverwundeter in Gefangenschaft geraten.

Es kommen in dieser Beziehung die seltsamsten und grausamsten Spiele des Zufalls vor. Der Hauptmann, der mir dies alles mitgeteilt, hat sich selbst in der Liste der Gefallenen gelesen. Ebenso ein Oberleutnant, den man bei seinem Regiment als „gefallen“ gemeldet. Sein Offiziersdiener sah ihn fallen und hielt ihn für tot. Er nahm alles, was er darin fand, aus den

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/72&oldid=- (Version vom 1.8.2018)