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Wie im letzten Hefte unserer Mitteilungen bekannt gegeben wurde, ist der Plan einer internationalen Vereinigung aller Vereine für Volkskunde im Werke. Dieser Plan ist durch unsere finnischen und skandinavischen Fachgenossen zur Tat geworden. Die folgenden Abschnitte bringen die Aufgaben und Ziele der Vereinigung.

Erste Mitteilung des folkloristischen Forscherbundes „FF“.

Die Sammeltätigkeit auf dem volkskundlichen (folkloristischen) Gebiete während der letzten Jahrzehnte hat eine unübersehbare Masse wissenschaftlichen Materiales zusammengebracht. Nicht nur die intensive Arbeit organisierter Gesellschaften, sondern auch die Leistungen einzelner Personen weisen staunenswerte Resultate auf. Brauche ich den Namen des größten Sammlers deutscher Volkskunde, Dr. Richard Wossidlos, zu nennen, welcher in der anspruchlosen Stellung eines Gymnasiallehrers in der kleinen Stadt Waren über 700 Landsleute zur Aufzeichnung mecklenburgischer Überlieferungen angefeuert hat? Oder soll ich des verstorbenen estnischen Pastors Dr. Jacob Hurts erwähnen, welcher über 100 000 Seiten Manuskript von zirka 1000 helfenden Händen hinterließ?

Daß dieser fast unendliche Reichtum von Dokumenten eine breite und feste Grundlage für die vergleichende Volkskunde bilden wird, ist eine augenscheinliche und erfreuliche Tatsache. Andererseits aber wirkt derselbe auf den gewissenhaften Forscher beinahe erdrückend. Kaum vermag er die angehäuften Materialien seines eigenen Volkes zu bewältigen. Wie soll er da hoffen, den rastlosen Fortschritten der Sammeltätigkeit in den verschiedensten Ländern und Sprachen gebührend folgen zu können? Schon die Anschaffung der zerstreuten Drucksachen ist heutzutage ein schwieriges Unternehmen. Aber der bei weitem größte Teil des Stoffes ist bloß handschriftlich in einem Exemplare an einem Orte vorhanden, und es werden gewiß mehrere Menschenalter vergehen, ehe die Kräfte und Kosten zur Herausgabe der immer wachsenden Masse beschafft worden sind. Einem Volkskunder (Folkloristen), welcher nicht über unbegrenzte Mittel und Zeit verfügt und ein ungewöhnliches Sprachtalent besitzt, bleibt somit nur ein Ausweg übrig: der Beistand seiner Mitforscher.

Wie ist aber dieser Beistand zu erlangen? An wen darf man sich wenden? Wie weit darf man es wagen einen anderen zu belästigen? Wie soll man seine Mühe und Unkosten vergüten? Diese Bedenken haben wohl manchen feinfühligen Forscher abgeschreckt, und nicht ohne Ursache. Schwerlich kann man einem stark beschäftigen Wissenschaftsmann zumuten, daß er jederzeit bereit sei, für fremden Bedarf eine Menge Handschriften durchzustöbern und außerdem für Abschreiber und Übersetzer zu sorgen. Aber ohne diese Voraussetzung ist eine wirkliche und rechtzeitige Hilfe bei einer wissenschaftlichen Arbeit kaum denkbar.

Als ich im vergangenen Juni mit dem ausgezeichneten Forscher und Lehrer der Volkskunde an der Universität zu Kopenhagen, Dr. Axel Olrik, die Besorgnisse unserer Wissenschaft besprach, kamen wir zu dem Resultate, daß ein internationaler Verein zu gegenseitigem Beistand gegründet werden müßte. In erster Linie galt es uns, die Vermittlung von Abschriften, Auszügen und Übersetzungen von Handschriften und schwer zugänglichen Druckwerken zu ordnen. Diese wäre möglich durch einen Lokalverein in jedem Lande, welcher über