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Friedrich Gerstäcker: Moden über die Welt. In: Fliegende Blätter. Band 18.

gerieften Klöppeln zu einem förmlichen Stoff auseinander geschlagen.

Diese Stämme sind übrigens der Meinung, daß ihre vom Schöpfer erhaltene Haut ihnen nur als Rohmaterial überliefert und noch einer bedeutenden Verbesserung fähig wäre, sie tättowiren dieselbe deshalb mit dem Ruß der Tuituinuß und stellen dadurch eine, oft selbst nach unseren Begriffen von Schönheit, wirklich geschmackvolle und sauber ausgeführte Zeichnung auf ihrem Leib in solcher Art her, daß z. B. in Europa die Polizei darauf ganz vorzügliche Rücksicht unter der Rubrik „Besondere Kennzeichen“ nehmen würde.

Einige dieser Inseln haben diesen Schurz, der bei den californischen Frauen ebenfalls nur in einer einfachen Schürze von Binsen oder gegerbtem Leder besteht, noch in sofern verfeinert, daß sie ein künstliches Flechtwerk dazu nehmen. Die Indianer des nördlichen Californien an der Grenze von Oregon schneiden sogar dieses Leder in dünne feine Streifen, umflechten dieselben zierlich mit Stroh und schmücken dasselbe noch mit den Schaalen einer langen Haselnußart.

Die nordamerikanischen Stämme, östlich von den Felsengebirgen, gehen noch weiter und sticken sogar diese Schürze mit farbigen Perlen, die sie sich von den Weißen zu verschaffen wissen.

Die Civilisation und das Christenthum hängen jetzt diesen Stämmen, einzelnen davon wenigstens, Cattun um, und wo erst einmal Cattun ist, da rückt die Seide stets leise nach. Wo sie sich selber dabei überlassen bleiben, behalten sie ihre alten Gewohnheiten, trotz dem Cattun, noch so weit bei, daß sie sich ein Stück davon, wie früher ihre Tapa, einfach um die Lenden schlagen, während sie ein anderes lose um die Schultern hängen und auf der einen Schulter oder vorn auf der Brust in einen Knoten schürzen; ein höherer Grad von Cultur ist dann, statt dem Brusttuch ein langes weißes Gewand, eine Art Morgenrock, der am Hals zugeknöpft wird und bis auf die Knöchel herunter fällt.

Aber gerade bei diesem, sonst so einfachen und natürlichen Volke haben Mode und Christenthum, vorzüglich durch das letztere herbeigeführt, einen andern gewaltigen Satz gemacht, der um so auffallender ist, da er gewissermassen isolirt in der Geschichte dasteht.

Um zuerst mit dem schönen Geschlechte zu beginnen, wie sich das auch von selbst versteht, so waren den frommen Männern, den Missionären besonders, die heidnischen Blumen in den Haaren ein Gräuel, aber sie wußten nicht wie und auf welche Art die am besten zu verdrängen wären. Sie fielen zuletzt auf ein Mittel, das bewies, wie weit sie in die Tiefen der menschlichen Natur eingedrungen waren – sie beschlossen das durch eine andere Mode zu thun, und octroyirten ihnen eben gleich mit als christliche Vorschrift, als ein sittliches und anständiges Stück menschlicher Bekleidung eine Art Strohhut, wie er unsere Vorväter auf den Locken unserer Vormütter entzückte. Das Ding sieht genau so aus, wie eine umgekehrte Kohlenschaufel, und es versteht sich von selbst, daß es die armen Kinder einer heißen Zone, denen es nicht allein als etwas Frommes empfohlen wurde, sondern denen es auch noch etwas Neues war, vortrefflich fanden.

Blumen und Federn kamen nun allerdings auch auf diesen Hut, aber das konnte unmöglich mehr etwas heidnisches sein, denn darauf waren die frommen Väter ja schon gewöhnt auch zu Hause, von den Kanzeln herunter nieder zu blicken, und der Sieg war in Jahren errungen. –

Ganz ließ sich aber der alte Adam (oder ich sollte hier eigentlich sagen die alte Eva, wenn Damen überhaupt je alt würden) doch nicht ausziehen, und wo die Priester eben nicht hinsahen, da flochten sich die wilden ungeberdigen Menschenkinder doch wieder die frischen duftigen Blumen in das lockige flatternde Haar, und der liebe Gott muß sich das eben mit den anderen Mißbräuchen hier auf unserer verderbten Erde gefallen lassen. – Er hat sie aber doch lieb die stillen freundlichen Menschen, mit den klaren lachenden Augen, und er schüttet da draußen all seine schönsten und herrlichsten Gaben in reichster und unverkümmerter Fülle über sie aus – auch über die Missionäre.

Das wunderlichste Kunststück haben die letzteren aber[1] mit der männlichen Bevölkerung vorgenommen, so weit dieselbe nämlich in den Bereich des Christenthums kam, und ich wünsche meinen schönen Zuhörerinnen wahrlich, ein solches gottgefälliges Menschenkind an einem freundlichen Sonntag Morgen unter den wehenden Palmen aus seiner Kirche kommen zu sehen.

Ich will einen Versuch machen sie zu beschreiben – aber vollständig wird mir das nie gelingen.


  1. Vorlage: ader
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Friedrich Gerstäcker: Moden über die Welt. In: Fliegende Blätter. Band 18.. Braun & Schneider, München 1853, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moden_%C3%BCber_die_Welt-Gerstaecker-1853.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)