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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

schien kein Mensch mehr auf zu sein. Ich hob indeß getrost mein Gepäck aus dem Wagen. Aber – Hölle und Teufel! wie wurde mir da! – das Ding war so leicht, war so locker! Den Angstschweiß auf der Stirn’ eil’ ich in’s Haus; ein Stallknecht, halb im Schlaf, stolpert mit seiner Laterne heraus, ein zweites Licht reiß’ ich ihm aus der Hand, und jetzt in der Stube gleich athemlos wie der Feind über’s Felleisen her! Das Schlößchen find’ ich unverletzt, ganz in der Ordnung – weiter – Allmächtiger! mein Gold ist fort! Der Schlag wollte mich treffen. Nein, nein, um’s Himmelswillen, nein! es ist nicht möglich! rief ich in Verzweiflung, und wühlte, zaus’te Alles durcheinander. Das Schatzkästlein fiel mir entgegen (ich hatte es nur gleichsam aus Erbarmen so mitlaufen lassen): im Wahnsinn meiner Angst hielt ich es einen Augenblick für möglich, das Büchlein habe mir meine Dukaten verhext! – Halb mit Wuth, halb mit Grauen warf ich den schwarzen Krüppel an die Wand; allein wie schnell verschwand der vermeintliche Zauber, da sich ein Messerschnitt, vier Finger breit, in meinem Felleisen entdeckte! Jetzt wußt’ ich vor der Hand genug: der Jude hat dich bestohlen!

Soeben wollte ich hinaus, die Hausleute, die Nachbarschaft aufschreien, – da muß mein Fuß zufällig nochmals an das arme Büchlein stoßen, und wie ein

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_011.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)