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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

um Entschuldigung, mit dem Versprechen, vor Abend wieder da zu sein.

Ich befand mich allein in der Stube und mit Josephen, die draußen am Herde beschäftigt sein mochte, allein im ganzen Schlosse. Die Nähe dieses Mädchens, zu dem ich von der ersten Stunde an ein stilles, unerklärliches Vertrauen hegte, obgleich wir bis jetzt kaum ein Wort mit einander gewechselt, beunruhigte mich ganz sonderbar. Es zog und zupfte mich immer, sie in der Küche aufzusuchen, allein wenn ich eben dran war, schien mir von allen den bei Handwerksburschen üblichen galanten Redensarten nicht Eine gut genug. Auf Einmal kam sie selbst herein, band sich die Küchenschürze ab, stellte sich dann mit einigem Erröthen mir grade gegenüber und sprach, nachdem sie ihre offenen braunen Augen ein ganzes Weilchen auf mir ruhen lassen: „Also Ihr kennt mich wirklich gar nicht mehr?“

Da ich betroffen schwieg und nun mit halben Worten zu erkennen gab, daß ich auf eine frühere Bekanntschaft mit einem so scharmanten Frauenzimmer im Augenblick mich nicht besinnen könne, verbarg sie sehr geschickt ihre Beschämung und Empfindlichkeit hinter ein flüchtiges Lachen und that, als hätte sie den puren Scherz mit mir getrieben. „Nein! Nein!“ rief ich, sie eifrig bei der Hand nehmend, „dahinter

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_028.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)