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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

muß heraus und wäre mir die größte Sünde, so ich’s vor Euch verschwieg. Dürft aber mich um Gotteswillen nicht verrathen bei der gestrengen Frau. – Der Knabe, da sie Solches sprach, bewegte sich mit Angst in seines Vaters Arm, als hätte er verstanden und gewußt, wovon die Rede sei. Der Graf winkte der Wärterin zu reden, die denn fortfuhr: Neulich, Ihr war’t eben verreis’t, geh’ ich des Morgens, wie ich immer pflege, nach der Kammer zum Kind. Das hört’ ich schon von Weitem schrein, als hätte man’s am Messer. Indem ich eintrete, Gott steh’ mir bei, muß ich mit diesen meinen Augen sehn, wie die gnädige Frau den jungen Herrn, bevor sie ihm das Röcklein angezogen, glatt auf den Tisch gelegt, und ihn gequält, geschlagen und gekneipt, daß es zum Erbarmen gewesen. Wie sie mein ansichtig geworden, erschrack sie fast und that dem Söhnlein schön und kitzelt’ es, daß das arme Würmlein gelacht und geschrien unter einander. Schau, was er lacht! rief sie: ist er nicht seines Vaters Conterfei? – Ich dachte: wohl, du armes Kind, drum mußt du also leiden. – Herr, haltet’s mir zu Gnaden, daß ich so frech vor Euer Edlen Alles sage; glaubt aber nur, man hat wohl der Exempel mehr, daß eine Ehfrau ihres Mannes Fleisch und Bein im eigenen Kind hat angefeindet, und, mein’ ich, Solches thut der böse

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_035.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)