Seite:Moerike Schriften 2 (1878) 040.jpg

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Euch, Lieber, sagte sie, wenn ich ein Kettlein hätte, seht, nicht länger als die kleine Strecke dort, so weit die Sichel im Bogen zwischen den Wiesen längs dem Dörflein läuft. Versteht, ein jedes Glied müßte nicht größer sein als wie ich hier den Mittelfinger gegen den Daume krümme, schaut!

Ei, sagte der Galan, was Ihr für kurzweilige Einfäll’ habt! Das hieß’ mir ein Geschmeide; hätten zwei Riesen genug dran zu schleppen.

Nicht wahr? und nun was meint Ihr (das sagte sie aber Herrn Veiten zum Spott, weil er von Hause aus nicht zu den Reichsten gehörte): wenn man dem Löwegilt sein Hab und Gut verkaufte, merkt wohl, nach Abzug dessen was mein ist, und machte den Plunder zu Gold und schmiedet’ eine Kette draus, wie ich eben gesagt, wie groß schätzt Ihr, daß die ausfallen würde? – Es lachte der Galan und rief: Ich wollte schwören, sie reichte just hin, Frau Irmels Liebe zu Herrn Veit damit zu messen! – Da klatschte Irmel lustig in die Hände und setzte sich dem Ritter auf den Schoos und küßte ihn und ließ sich von ihm herzen.

Auf Einmal sprach er: Horcht! mir ist, ich höre Jemand im Alkoven; wird doch das Gesinde nicht lauschen? – Ihr träumt, sagte die Frau, er ist verschlossen gegen den Flur. Laßt mich sehen.

Aber, indem sie aufstehen will, o Höllenschreck!

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_040.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)