Seite:Moerike Schriften 2 (1878) 047.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die wächst doch nicht von selbst so fort, das braucht Dukaten, fremdes Gold!“

„Braucht’s nicht! Was Ihr doch närrisch seid! Der ganze Plunder wiegt kein Quentlein unseres Gewichts.“

„Wie? also Alles eitel Schein und Dunst?“

„Nicht anders.“

„Allein“ – so fragte ich nach einigem Besinnen weiter – „der Schatz, dessen Irmel im Kerker gedachte, soll der noch irgendwo vergraben liegen?“

„Man sagt es. Hättet Ihr Lust ihn zu lösen?“

„Nicht doch; ich meine nur, weil wir gerade von so wunderbaren Räubereien reden. Wär’ es nicht möglich, daß eben auch besagter Schatz von Jahr zu Jahr zulegte auf Kosten mancher Passagiere?“

„Was fällt Euch ein! Ihr meint also, daß so ein armer Geist mit Zangen und Messern ausziehe und ordentlich wie ein gemeiner Strauchdieb den Leuten die Koffer und Taschen umkehre?“

Ich sah das Abgeschmackte meines Argwohns ein, allein ich wußte nicht, ob ich mich freuen oder grämen sollte. Denn wenn mich vorhin der Gedanke mit einem freudigen Schrecken ergriff, daß ich vielleicht nur wenig Schritte von meinen Dukaten entfernt sein möge, so schwand mir die Hoffnung, dieselben jemals wieder zu erblicken, nun abermals in eine ungewisse

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_047.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)