Seite:Moerike Schriften 2 (1878) 059.jpg

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es ist so eine Sache, man will sich keine Blöße geben, nicht einmal vor sich selbst. Ich lief unlängst bei hellem Tag nicht weit von der Stadt Andernach, und sah so in Gedanken vor mich nieder und dachte an nichts – auf Einmal liegt der grüne breite Rhein, wie’n Meer, vor meinen Füßen! um ein Kleines wär’ ich hineingeplumpst so lang ich bin – wie dumm! und stand doch schon eine Viertelstunde davor mit ellenlangen Buchstaben deutlich genug geschrieben: Rhenus. Vor Schrecken fiel ich rückwärts nieder und dauerte zwei Stunden, bis ich mich wieder besann und erholte.“ – „Aber,“ fragt’ ich, „habt Ihr denn das Rauschen dieses Stroms nicht schon von Fern gehört?“ – „Gehorsamer Diener, Mosje, so weit haben’s eure Herren Landkartenmacher noch gar nicht gebracht; all’ die Gewässer da, wie hübsch sie sich auch krümmen, machen nur stille Musik.“ Der Feldmesser schwieg eine Zeitlang und schien etwas zu überlegen.

„Hört,“ fing er wieder an, „ich muß jetzt doch mit meiner Hauptsache heraus. Ihr könntet mir einen Gefallen erweisen.“ – „Recht gern.“ – „So sagt einmal, es gibt ja sogenannte Osterkinder unter euch Menschen; wißt Ihr mir wohl Bescheid, wie solche ungefähr aussehn?“ „Gewiß,“ versetzte ich. Der Feldmesser hüpfte vor Freuden hoch auf. „Jetzt will ich

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_059.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)