Seite:Moerike Schriften 2 (1878) 085.jpg

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„Und davon hättet Ihr nicht das Geringste übrig behalten? Besinnt Euch ja wohl!“

Auf einmal fiel mir ein, daß ja noch ein Goldstück im Wagen gewesen und daß ich dieses in der Noth bei der Zeche zu Rösheim auswechseln lassen. Ich bekannte aufrichtig wie Alles gegangen.

„Da habt Ihr sehr übel gethan!“ versetzte der Freiherr bedenklich, mit kaum merkbarer Schalkheit. „So geht es, wenn ein Osterjüngling nicht genau nach seinem Katechismo lebt. Ihr werdet Euch des trefflichen Spruches erinnern, worinnen gesagt ist, daß man sich fremden Eigenthums unter keinerlei Umständen anmaßen möge. Genug, Ihr habt den Lockvogel hinausgelassen, mit dessen Hilfe Ihr die ganze goldne Schaar gar leichtlich wieder in Eure Hand würdet bekommen haben.“

„O Gott! ich Unglückseliger!“ rief ich verzweifelnd aus und schlug mich vor die Stirne.

„Geduld, Geduld, Gesell!“ sagte der alte Herr, „noch ist nicht Alles verloren. Laßt Euch den Fehler für die Zukunft zu einer Warnung dienen; indeß“ – hier griff er in die Tasche und zog zu meinem freudigsten Erstaunen den Dukaten hervor, den er mir lächelnd mit den Worten reichte: „er kann nun freilich die erwünschte Wirkung nicht mehr thun, der Zeitpunkt ist versäumt; dessenungeachtet werdet Ihr vor Cyprian Eure 399

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_085.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)