Seite:Moerike Schriften 2 (1878) 091.jpg

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im Arrest – absichtlich nicht ersparen wollte. –

Josephe schlug noch einen Gang in’s Freie vor; der Abend war so schön, die Luft außerordentlich milde.

Indem wir nun allein so Hand in Hand entlang dem Ackerfeld, am Rand des Bergs hin wandelten, war mir’s noch immer wie ein Märchen, daß ich das schönste, liebste Mädchen von der Welt als meine ausgemachte Braut besitzen sollte und daß dieselbe zwar nach Leib und Seele mein altes Schätzlein aus der Melbergasse hinter’m Krahnen sei! – – „So sag’ mir denn, um’s Himmelswillen,“ hob ich an, „wie bist du von den Todten auferstanden?“

„Mir kam es wahrlich selber vor,“ versetzte sie, „als ging’ es nicht mit rechten Dingen zu, da ich eines Morgens die Augen aufschlug und mich in einem fremden Zimmer, wo Alles gar vornehm und lieblich aussah, in einem feinen seidenen Bettchen zum erstenmale wieder fand. Es war ein wenig dunkel in dem Zimmer, die Laden waren zu, die Vorhänge herabgelassen. Nach einer Weile kam eine ältliche Dame herein; sie war mir gleich bekannt, so ein sanftes und liebreiches Wittwengesicht hatt’ ich schon sonst einmal gesehen. Du mußt dich noch erinnern, zu Egloffsbronn, vor dem Brückenthor, gegen die Landstraße hin, steht einzeln ein freundliches Haus zwischen Gärten –“

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_091.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)