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Eduard Mörike: Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Aus: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

es nicht und trat bei’m nächsten Schritt von ungefähr sich mit dem andern Schuh die Schnur vom linken los; das sah das Weib von hinten, hob heimlich das Geschmeide auf und barg’s in ihrem Rock.

Die Schnur war aber keine andere, denn jene von der schönen Lau, und war an die Tochter des jetzigen Grafen, die schöne Irmengard65, von dessen Frau Ahne vererbt.

Als endlich die Zwei nach einander heim gingen, verkündigte just in den Straßen des Grafen Ausrufer, daß gestern im Bupsinger Forst, unfern dem Lusthaus, ein Nuster66 mit Perlen verloren gegangen, und wer es wieder schaffe, dem sollten fünfzehn Goldgulden Finderlohn werden. Da freute sich das Weib, zog eilig ihre besten Kleider daheim an, kam in das Schloß und ward sogleich vor die junge Gräfin gelassen. Ach Frau, ach liebe Frau! rief diese ihr schon in der Thür entgegen: Ihr habt wohl mein Nuster gefunden? gebt her, ich will es Euch lohnen! –

Nun zog das Weib ein Schächtelein hervor und wie das Fräulein es aufmachte, lagen sechs oder sieben zierliche Mausschwänze darin, nach Art eines Halsbands künstlich geschlungen. Das Fräulein that einen Schrei und fiel vor Entsetzen in Ohnmacht. Das Weib in Todesängsten lief davon, ward aber

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Mörike: Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Aus: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. Stuttgart: G. J. Göschen. 1878, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_171.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)