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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

hielt an, und maß mit dem Aug nach allen Seiten den Abstand vom Baum, dann setzt’ er den Hansel in Trab und endlich in gestreckten Lauf, das ging wie geblasen und war es eine Lust ihm zuzusehen, wie sicher und wie leicht der Bursche saß. Er war aber nicht dumm und nahm den Kreis so weit als er nur konnte; gleichwohl lief derselbe am Ende so schön zusammen, als wär’ er mit dem Zirkel gemacht. Mit Freudengeschrei ward der Frieder empfangen, im Nu saß er ab, küßte den Hansel auf den Mund und der König am Fenster winkt’ ihm herauf in den Saal. „Du hast,“ sprach er zu ihm, „dein Probstück wohl gemacht; die Wiese ist dein. Den Hansel anbelangend, den kann ich dir nicht wieder geben: ich hab’ ihn meiner Königin geschenkt; soll aber dein Schade nicht sein.“ Mit diesen Worten drückte er ihm ein Beutelein in die Hand, gespickt voll Dublonen. Deß war der Knabe sehr zufrieden, zumal die Königin hinzusetzte: er möge alle Jahr zur Stadt kommen, in ihrem Schloß vorsprechen und den Hansel besuchen. „Ja“, rief der Frieder, „und da bring’ ich Euch zur Kirchweih’ allemal ein Säcklein grüne Nüss’ vom Baum!“ „Bleib’ es dabei!“ sagte die Königin; so schieden sie. Der Frieder lief heim durch all das Volksgewühl und Gejubel hindurch, zu seinen Eltern. Der Peter hatte den Ritt von Weitem heimlich mit angesehen,

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_264.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)