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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

Lucie Gelmeroth.
Novelle.

Ich wollte – so erzählt ein deutscher Gelehrter in seinen noch ungedruckten Denkwürdigkeiten – als Göttinger Student auf einer Ferienreise auch meine Geburtsstadt einmal wieder besuchen, die ich seit lange nicht gesehen hatte. Mein verstorbener Vater war Arzt daselbst gewesen. Tausend Erinnerungen, und immer gedrängter, je näher ich der Stadt nun kam, belebten sich vor meiner Seele. Die Postkutsche rollte endlich durch’s Thor, mein Herz schlug heftiger, und mit taumligem Blick sah ich Häuser, Plätze und Alleen an mir vorübergleiten. Wir fuhren um die Mittagszeit bei’m Gasthofe an, ich speis’te an der öffentlichen Tafel, wo mich, so wie zu hoffen war, kein Mensch erkannte.

Ueber dem Essen kamen nur Dinge zur Sprache, die mir ganz gleichgültig waren, und ich theilte daher in der Stille die Stunden des übrigen Tags für mich

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_281.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)