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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

bänglich stolzer Erwartung! Ich fand die grüne offene Scene, Orchester und Parterre auf’s Niedlichste beleuchtet, das junge Personal bereits beisammen; verwirrt und geblendet trat ich herzu. Indeß die hohen Herrschaften noch in einem nahen Pavillon bei Tafel säumten, ließ auch die kleine Truppe sich es hier an seitwärts in der Garderobe angebrachten, lecker besetzten Tischen herrlich schmecken, sofern nicht etwa Diesem oder Jenem eine selige Ungeduld den Appetit benahm. Die Lustigsten unter den Mädchen, vertrieben sich die Zeit mit Tanzen auf dem glattgemähten, saubern Grasschauplatz. Lucie kam mir mit glänzenden Augen entgegen und rief: „Ist’s einem hier nicht wie im Traum? Ich wollte, das Stück ginge heut gar nicht los, und wir dürften nur immer passen und spaßen; mir wird kurios zu Muth, sobald mir einfällt, daß es Ernst werden soll.“ Wir hörten einander noch einige Hauptpartien unserer Rollen ab. Sie kam nämlich als Christensklavin mit meiner sultanischen Großmuth in vielfache Berührung und sollte zuletzt, durch ihre Tugend, ihren hohen Glauben, welcher selbst dem Heiden Theilnahme und Bewunderung abzwang, der rettende Schutzengel einer braven Familie werden.

Wir waren mitten im Probiren, da erschien ein Lakei: die Gesellschaft habe sich fertig zu halten, man

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_293.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)