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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

wohl auch rechtschaffen,“ so schreibt er selber einmal einem Gönner, „und es hält öfter schwer, nicht die Geduld zu verlieren. Da halst man sich als wohl accreditirter Cembalist und Musiklehrmeister ein Dutzend Schüler auf, und immer wieder einen neuen, unangesehn, was weiter an ihm ist, wenn er nur seinen Thaler per marca bezahlt. Ein jeder ungrische Schnurrbart vom Geniecorps ist willkommen, den der Satan plagt, für nichts und wieder nichts Generalbaß und Contrapunct zu studiren; das übermüthigste Comteßchen, das mich wie Meister Coquerel, den Haarkräusler, mit einem rothen Kopf empfängt, wenn ich einmal nicht auf den Glockenschlag bei ihr anklopfe u. s. w.“ Und wenn er nun durch diese und andere Berufsarbeiten, Academien, Proben und dergleichen abgemüdet, nach frischem Athem schmachtete, war den erschlafften Nerven häufig nur in neuer Aufregung eine scheinbare Stärkung vergönnt. Seine Gesundheit wurde heimlich angegriffen, ein je und je wiederkehrender Zustand von Schwermuth wurde, wo nicht erzeugt, doch sicherlich genährt an eben diesem Punkt, und so die Ahnung eines frühzeitigen Todes, die ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, unvermeidlich erfüllt. Gram aller Art und Farbe, das Gefühl der Reue nicht ausgenommen, war er als eine herbe Würze jeder Lust auf seinen Theil gewöhnt.

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_322.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)