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Wo sich bei Waldhufendörfern keine natürlichen Dorfgrenzen als Wasserläufe, Höhenzüge oder Berge vorfanden, geschah die Grenzbestimmung durch Festlegung vermittelst von Aufhieben (Wegedurchhiebe) durch das waldige Gelände, woraus sich dann die Fiebige entwickelten[1]. Diese Fiebige wiederholen sich in der Flurlage des Dorfes. Ihre Zahl steht im Verhältnis zur Größe des Dorfes und sie bildeten einst wohl gewisse Grenzen der Hufenabteilungszahl einer Koppel- oder Viehweggemeinschaft von 8, 12, 16 Hufen innerhalb der Dorfmark[2]. Die Fiebige führen stets quer über die Dorfaue und den Dorfweg und gingen der Hufenaufteilung, die sich parallel anschließt, voraus. So warteten gleichsam die Fiebige auf die Hufenaufteilung.

In vielen ortsgeschichtlichen Beschreibungen wird über die Kolonisation berichtet, daß der sogenannte Lokator oder, wie es in den Görlitzer Quellen heißt, Siedelmann in ein und derselben Person es war, der das Land nach Hufen vermaß, diese mit Ansiedlern besetzte und alle Einrichtungen in der neuen Dorfgemeinde leitete und erster Dorfschulze wurde. Ohne Zweifel wird dieser Lokator für seine Bemühungen und Auslagen bei der bestehenden Naturalwirtschaft als Maklerlohn eine Freihufe (das Kretschamgut) für sich beansprucht haben; daß er sich aber damit fürs Leben abfand und nun als Schultheiß und tätiger seßhafter Bauer seine Hufe bewirtschaftete, dazu war er wohl von zu großem Geschäftsgeist beseelt und zuviel von Wandersinn und Abenteuerlust ergriffen. Denn trotzdem ihm das auf dem Kretschamgut erblich ruhende Schulzenamt mit seinen sonstigen Gerechtigkeiten eine bevorzugte Stellung in der neuen Dorfgemeinde einräumte, war er aber dennoch nur ein Bauer unter Bauern. Hatte er daher für seine Hufe einen zahlungsfähigen Käufer gefunden und damit seine Mittel vermehrt, dann suchte er wohl wieder anderweitig für Ansiedler zu werben oder sonst in einem Unternehmen eine gehobene Stellung einzunehmen. Wie R. Jecht in seiner Geschichte von Görlitz[3] nachweist, bildete sich zu den Zeiten der bäuerlichen Kolonisation in der Oberlausitz ein völlig neuer Stand in diesen locatores. Sie waren, nachdem die Dorfgründungen im wesentlichen abgeschlossen, nicht zum mindesten mitbeteiligt und mitbestimmend bei der Gründung der Stadt Görlitz und wohl auch anderer Städte.


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  1. Viele dieser ehemaligen Fiebige sind eingegangen, indem man bei Ausbauung dieser Wege das dabei gewonnene Land den Anliegern namentlich den Rittergütern und Domänen zugeschlagen hat und der Name verhallt ist. – Alle die Wege, die quer oder in schräger Richtung über die Flurlage führen, wie wir solche im Görlitzer Kreise namentlich westlich der Neiße vorfinden, haben mit der Kolonisation nichts zu tun. Es sind entweder alte übernommene Slavenwege, oder sie sind erst später als Kirchwege, Mühlwege, Holzwege, Grenzwege und Pest- oder Zigeunerwege entstanden. In jüngerer Zeit sind mehrfach wegen der Industrie neue Verkehrsstraßen angelegt und Fiebige in Chausseen ausgebaut worden.
  2. Eins der größten Kolonistendörfer ist Langenau, Kr. Görlitz; es weist gegen 7 Fiebige auf und besteht aus sieben solcher begrenzten Abteilungen, deren jede etwa 12 Hufen ausmacht. Nach Ender: N. L. M. Bd. 45 (1868) S. 115 beruht dort die Hufenaufteilung auf dem Königshufenmaß, welches Maß von 180 Morgen einer fränkischen Doppelhufe gleichkommt.
  3. R. Jecht, Geschichte der Stadt Görlitz, S. 24–27.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Krische: Die Siedlungsverhältnisse von Berzdorf auf dem Eigen. In: Neues Lausitzisches Magazin. Görlitz: Selbstverlag der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1929, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:NLM_1929_Seite_234.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)