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Walther Kabel: Natürliche Mumien (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 4)

der Vornehmen und namentlich der Inkas, der Zugehörigen des Königsgeschlechts, balsamierten sie noch besonders ein. Ebenso konserviert auch ein kalter, trockener Luftzug die Körper, wie man dies besonders in dem bekannten „Bleikeller“ zu Bremen beobachten kann.

Außerdem aber gibt es auch in fast allen Gegenden Deutschlands Kirchhöfe, deren kochsalz-, salpeter- oder alaunhaltige Bodenbestandteile die Mumienbildung begünstigen. Eine eigentümliche Erscheinung, die bisher wissenschaftlich noch nicht aufgeklärt ist, hatte der Schreiber dieser Zeilen selbst zu beobachten Gelegenheit. In einer Untersuchungssache wegen angeblichen Giftmordes sollte in einem kleinen westpreußischen Dörfchen, das nicht weit von dem durch das alte, ehrwürdige Kloster berühmten Marktflecken Karthaus liegt, die Leiche einer Frau, die bereits zwei Jahre in der Erde gelegen hatte, ausgegraben und nachträglich seziert werden. Seltsamerweise entströmte dem noch recht gut erhaltenen Sarge beim Öffnen auch nicht der geringste unangenehme Geruch, und zum Erstaunen der Gerichtskommission fand man die Leiche vollkommen frisch vor. Nur die Wangen waren etwas eingefallen, und an der Nase zeigte sich eine leichte Schimmelschicht. Das Auffallendste an der in jener Gegend bisher niemals beobachteten Mumifikation war aber eine beginnende Verhärtung der Glieder, die nur als Anfänge einer Versteinerung gedeutet werden konnte und sich hauptsächlich an den Fingern, Zehen und Lippen bemerkbar machte. Die von dieser Verhärtung betroffenen Organe hatten ihre äußere Form ohne nennenswerte Einschrumpfung beibehalten, waren aber steinhart und von grauer, leicht glänzender Färbung. Bei der Sektion stellte es sich dann auch heraus, daß das Innere des Körpers ebenso gut erhalten war. Nirgends konnte auch nur eine Spur von Fäulnis entdeckt werden, und daher ließ sich auch in dem Mageninhalt das Vorhandensein von größeren Mengen von Arsenik mit Leichtigkeit feststellen.

Wahrscheinlich ist in diesem Falle die Mumifikation und beginnende Verhärtung der Gliedmaßen durch das reichliche Vorkommen von Kieselsäure in der Erde des Kirchhofs

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Walther Kabel: Natürliche Mumien (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 4). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1909, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nat%C3%BCrliche_Mumien.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)