Seite:Natur und Menschenleben - Hermann Adam von Kamp.pdf/51

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

So sang die kleine Adelaide ihr Morgenlied in der Sennhütte. Sie glaubte wohl, daß niemand, als der liebe Gott, es gehört hätte. Aber es hatte auch sonst noch jemand ihr Lied vernommen. Ein vornehmer Herr, der aus den Niederlanden gekommen war, das schöne Schweizerland zu sehen, hatte in einer benachbarten Sennhütte übernachtet. Er war mit seinem Führer sehr früh ausgegangen, um den Sonnenaufgang zu feiern, der auf den Alpen so entzückend schön ist. Und auf dieser Wanderung kam er an der Hütte vorüber, aus welcher Adelaidens Morgenlied ertönte. Die anmuthige Weise desselben gefiel ihm so gut, daß er daselbst verweilte, bis das Lied zu Ende und es nun in der Hütte stille war. Bald darauf trat Adelaide aus der Hütte. Sie war im einfachen Kleide, wie die Mädchen der Alphirten es tragen, gekleidet. Heiter blickte sie erst vor sich hin ins Freie, eilte dann zu einer nahen Quelle, badete sich Gesicht, Brust und Arme, und nun kehrte sie zu der Hütte zurück.

Aber wie erschrak sie, als sie die beiden Fremden da stehen sahe! Der Reisende trat zu ihr mit einem heitern Morgengruße, als sie eben ausweichen wollte, und bat sie, das Morgenliedchen noch einmal zu singen. Da wurde sie glühend rot vor Scham, daß der Fremde ihren Morgengesang

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Adam von Kamp: Natur und Menschenleben. G. D. Bädeker, Essen 1831, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Natur_und_Menschenleben_-_Hermann_Adam_von_Kamp.pdf/51&oldid=- (Version vom 4.8.2020)