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Gebet einer Frau, deren Mann auf Reisen ist.

„Deines Mannes wohl soll dein Begehr sein,
Und er soll in dir herrschen.”
 (1. B. M. 3, 15.)

Mein Gott und Vater! du hast des Weibes Geschick eng und fest an das ihres Gatten geknüpft, und es gefällt dir wohl, wenn ihres Gatten Glück ihr heißester Wunsch ist, und seine Wohlfahrt ihr innerstes Streben. So mögest du auch wohlgefälligst aufnehmen mein tief inbrünstiges Gebet, das ich zu dir emporrichte, für den Theuern, an dessen Leben du das meinige geknüpft hast durch das heilige Band ehelicher Liebe und Zärtlichkeit.

Aus andächtigem Herzen flehe ich zu dir, mein Gott, um deinen allmächtigen Schutz für den fernen Gatten. Wenn ihm unter seinem eigenen Dache schon, wo Friede und Freundlichkeit herrschen, und Liebe und Treue ihn umschweben, deine göttliche Obhut so noth thut; wie sehr bedarf er nicht deines Schirmes und Schutzes, wenn er fern von seinem häuslichen Heerde ist, ausgesetzt den Gefahren der Reise, wo List und Eigennutz ihn umgeben, und kein liebend Herz ihm der Gattin zärtliche Sorgsamkeit ersetzt. Darum flehe ich jetzt noch glühender und inbrünstiger als sonst um deine Huld und Gnade für ihn. Stärke und kräftige ihn, Allvater, daß er muthig die Fährnisse des Weges besiege, und den Mühen und Beschwernissen seines Erwerbes nicht unterliege. Gib ihm Weisheit und Einsicht, Muth und Ausdauer in allen seinen Unternehmungen; bewahre ihn vor jedem bösen Unfall und Zufall, vor dem Schmerz vereitelter Hoffnungen, vor dem Kummer getäuschter Erwartungen. Lege deinen Himmelssegen auf Alles, was er beginnt und unternimmt, und sende ihm deine milden guten Engel, daß sie ihn geleiten und umgeben, daß sie ihn tragen über jeden Stein des Anstoßes, und ihn hüten vor Hinterlist und Betrug, vor Tücke und Gewalt. Führe ihn mir wieder zurück, voll Gesundheit und ungetrübter Heiterkeit, voll des befriedigenden Bewußtseins, glücklich den Zweck seiner Reise erreicht zu haben.

Mögest du auch, Allgütiger, über mich und mein Haus deine Vaterhuld walten lassen, damit Fröhlichkeit und Friede ihn auf der Schwelle empfangen, und die freudigen Gefühle des Wiedersehens durch Nichts getrübt werden. Amen.

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/106&oldid=- (Version vom 1.8.2018)