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Du hast die Schwingen des Sturmes gebunden, vor dessen entfesselter Wuth die Tiefen des Meeres erbeben, und der Mensch mit all seiner Kunst und Weisheit so ohnmächtig dasteht. Mögest du, mein Gott, ferner mit mir sein, und mich führen und leiten über die Klippen und Strömungen des Lebens hinweg. Mögest du mich schützen und wahren vor den Wogen des Mißgeschickes. Mögest du mich hüten vor den Angriffen der Bosheit und der Verfolgung, wenn sie um mich toben, wie vor den verderblichen Stürmen der Leidenschaften, wo sie in mir selber toben und brausen. Groß sind die Anfechtungen des Lebens; in uns und um uns lauscht und lauert die Versuchung zum Fehltritt und zur Sünde: Doch mit deiner Hilfe, o Gott, besiegen wir jede Versuchung, widerstehen wir jeder Verlockung, dein ist die Macht und die Kraft, dir gebührt Ruhm und Preis und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.


Während der Dürre und Regennoth.

„Der Ewige wird öffnen seinen kostbaren Schatz
und den Himmel aufthun, deinem Boden den
Regen zu geben zur rechten Zeit.”
 (5. B. M. 28, 12.)

Allmächtiger, du ließest an die Erde dein göttlich Wort ergehen, daß sie hervorbringe allerlei Sprossen: Blumen und Blüthen, Kräuter und Früchte. Und die Erde folgsam deinem Geheiß, öffnet ihren Schooß und sendet ans Licht alle Keime, die in ihr ruhen. Doch siehe, mein Gott, die Gluten des Himmels verzehren, was die Erde hervorbringt, und lecken gierig an den Säften und Kräften des Bodens, der in brennendem Durste erlechzt. Nach deinem Regen schmachtet er und seine Sprößlinge.

Und auch der Mensch, mit Sehnsucht blickt er in die Höhe, und folgt dem Zuge der Wolken; aber deine zürnende Hand, Allwaltender, führt sie spurlos an uns vorüber, und hält in Riegel und Banden alle Schleusen und Quellen des Himmels.

Vater, in innigem, inbrünstigem Gebete flehen wir zu dir um deinen Himmelssegen. Entziehe, o Gott, uns nicht länger diese wohlthuende Fluth, ohne die alle deine Geschöpfe müßten verschmachten und zu Grunde gehen. Gebiete den Wolken, daß ihnen entströme der milde, erquickende, fruchtbringende Regen, daß unter dem erfrischenden Strom die Fluren von Neuem erblühen,

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/138&oldid=- (Version vom 1.8.2018)