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diese Erde, die dich decket, umfasse, als umfaßte ich einen Theil von dir, und wenn ich meine Thränen hier vergieße, als weinte ich mich an deinem treuen Herzen aus!

Mein Gott, auf dieser Asche, die mir so heilig ist, will ich mein Gebet für der theuren Mutter Seelenruhe zu dir erheben. Nimm sie, die so reich an Liebe war, deren Herz in warmer Mutterliebe schlug, freundlich auf in dein höheres Reich der Liebe. Ihr, die in mütterlicher Zärtlichkeit nicht die Opfer zählte, nicht die Mühe wog, nicht die Leiden maß, die sie freudig auf sich nahm für ihrer Kinder Wohl und Heil: – ihr zähle du wieder nicht und wäge nicht, was sie als Staubgeborne hienieden hat gefehlt und gesündigt vor dir, und wie sie der Freuden und des Segens Fülle über ihres Kindes Haupt hienieden hat ausgeschüttet, so umstrahle du in deiner Höhe ihr verklärtes Haupt mit Paradieses Freuden und Seligkeiten! – Und mir möge ihre Mutterliebe, deren ihre Seele stets so voll war, noch jetzt zum Segen gereichen, daß sie für mich und die Meinen deine Gnade und dein Erbarmen, Ewiger, erflehe, daß deine Liebe und deine Gotteskraft mir stets zur Seite stehe und mich führe mit milder Hand durch das dunkle Erdenthal, bis meine Seele eingehet zur Ruhe und zur Wiedervereinigung mit den geliebten Vorangegangen. Amen.


Am Grabe des Gatten.

„Ich bin ein Weib mit beschwertem Herzen,
Und schütte meine Seele vor Gott aus.”
 (Sam. I., 1, 15.)

Hierher, in die stille Behausung des Todes, ziehet mich mein Herz, das öde und traurig ist, wie dieser Ort selber. Von Grabesnacht umfangen ruhet hier der theure Gatte, und auf seinen Hügel mögen meine heißen Thränen hinfließen, mögen meine Klagen sich ergießen in ungestörtem Lauf. Fern vom Gewühl des Lebens, entweihet hier kein fremder Blick, kein theilnahmloses Wort meinen Schmerz; nur du, o Gott, bist hier Zeuge meines Grames, der so tief in meiner Seele sitzt, daß mir das Leben in seiner ganzen Schönheit nun verdüstert erscheint, und all seine Freuden nur wie in einem dunklen Trauerflor gehüllt entgegen treten.

Mögest du, Allvater, mir nicht zürnen, daß ich so bitterlich klage, daß meine Seele so tief trauert über das, was du geschickt

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/142&oldid=- (Version vom 1.8.2018)