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und gefügt hast. Mein Gott, nicht vermesse ich mich, gegen deine Schickungen zu murren und deine Wege zu tadeln. Du bist der Gott der Liebe und der Weisheit; welcher Sterblicher vermöchte dich zu begreifen und zu erfassen, wer sich erkühnen, dein Walten zu richten und zu dir zu sagen: Was thust du da! Was du thust, ist wohlgethan, und ich bete dich im Staube an und verehre in Demuth deinen unerforschlichen Rathschluß. Doch kann ich gebieten meinem Herzen, daß es nicht empfinde das Mißgeschick, kann ich sagen zum Schmerz: „Fliehe mich,” zu meiner trauernden Seele: „Sei heiter.”

Und wie sollte meine Seele nicht trauern, da ihre Schwesterseele von ihr geschieden, wie sollten meine Augen sich nicht mit Thränen füllen, da meiner Tage glänzendstes Gestirn erloschen ist, da meines Hauses Pfeiler und Stütze gebrochen, meines Lebens Blüthe und Schmuck hingewelkt und meines Herzens Theuerstes dem Moder preisgegeben ist! –

Doch nein, sein irdischer Theil bloß, der Körper nur, die Staubeshülle ward zurückgegeben dem Staube, von wannen er ist genommen, doch sein edleres Ich, sein unsterblicher Theil, sein Geist lebt fort mit all seinem Denken und Fühlen, mit all seiner Treue und Liebe. –

„Es kehrt der Staub zurück zur Erde, von wannen er ist genommen, und der Geist steiget empor zu Gott, der ihn gegeben.” Also steht es geschrieben in deinen heiligen Schriften. – Daran will ich mich halten. Der Gedanke sei Trost in meiner Trauer, und Balsam für die Wunde meines Herzens, daß der Tod nicht ganz das Bündniß unsrer Herzen kann aufgelöset haben, und wie meine Liebe ihm folgt ins Jenseits, wird auch er segnend und liebend niederblicken auf mich und meine Kinder, die er verwaist hinterlassen hat; wie ich betend mein nasses Auge zu dir, mein Gott, erhebe, um die Himmelsseligkeit für ihn zu erflehen, wird er hinwieder dein Erbarmen und deine Gnade anrufen für unser Heil hienieden, und so werden unsre Seelen sich begegnen an deines Thrones Stufen!

Mein Leben aber, das nun seines irdischen Schutzes entblößt ist, meine Kinder, die ihres Vaters und Verpflegers, ihres Führers und Vertreters beraubt sind, vertraue ich dir, allgütiger Vater im Himmel, der du ein Vater der Waisen, ein Sachwalter der Wittwen bist in deiner heiligen Höhe. Laß deine Liebe mich umfahen, deine Allmacht mich kräftigen, deine Allweisheit

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)