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mich erleuchten, daß ich stark und muthig durchs Leben schreite, daß ich die Pflichten und Aufgaben, die in doppeltem Maße auf mich fallen, mit männlichem Geiste und weiblichem Gemüthe vereint zu erfüllen verstehe, um meinem Hause mit Verstand und Kraft vorzustehen und allen seinen Bedürfnissen zu genügen. Amen.


Gebet einer Mutter am Grabe ihres Kindes.

„Blickt weg von mir, ich muß bitterlich
weinen.”
 (Jes. 22, 4.)

„Gott, wie bist du allgewaltig in deiner Macht, furchtbar in deinem Gerichte!” Du streckst deine Hand aus und es verlischt der Sonne Glut. Du sprichst – und es erbebt die Erde in ihren Tiefen; du lässest wehen deinen Hauch – und es bricht zusammen die riesige Ceder, und die grünende Flur, erst aufgesprossen und aufgebläht, wird zur dürren trostlosen Einöde! Und der Mensch, ach, voll lieblicher Jugend, voll grünender Hoffnung, sich schlingend und rankend ums glückliche Leben: – Du sendest aus den ernsten Boten des Todes, und siehe, die Menschenblume welkt, dorrt und zerfällt in Staub!

Unter diesem Hügel ruhet meine Herzensblume, mein Fleisch und Blut, mein innerstes Leben, mein Kind. – Vergebens wäre es, wollte ich wehren meinem Schmerze hervorzubrechen, meinen Thränen hinzuströmen.

Du, o Gott, der du des Menschen Inneres geschaffen und gebildet, du weißt wohl, was einer Mutter ihr Kind ist, du weißt, wie das Mutterherz mit allen Lebensfäden und Fibern ihr Kind umschlingt und umschließt, und wenn der Tod die kalte Hand legt an das Kind, es ihr von der Seite reißt, dann reißt er auch das ganze Herz der Mutter blutend wund.

Darum zürne nicht, o Herr, meinem Schmerze, habe Erbarmen mit meinem Leid und gieße deinen göttlichen Trost mir ins Herz, gib mir Kraft zu tragen, und zu entsagen dem, was du mir entziehest. „Du hasts gegeben, du hasts genommen, dein Name sei gelobt!”

Gewiß ist Alles, was du thust, wohlgethan; deiner Allweisheit verborgenen Gang, wie könnte des Menschen beschränkter Sinn ihn ergründen wollen! Dunkel und unerforschlich ist dein Walten,

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/144&oldid=- (Version vom 1.8.2018)