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Wenig Augenblicke später fiel er durch des Henkers Schwert,
Und vom vierten Bruder Jener nun den Götzendienst begehrt,
Doch es spricht der Jüngling gläubig: „Ehre nur dem Herrn gebührt,
Ihn nur bet’ ich an, der gnädig aus der Knechtschaft uns geführt.”[1]

Also sprach er, fest umschlungen von des nächsten Bruders Arm,
Und so litten Beide freudig bald des Martertodes Harm.
Jetzt gebot dem sechsten Sohne auch der Kaiser grausig wild:
„Zögre nicht und wirf dich nieder hier vor meines Gottes Bild!”

Ruhig doch entgegnet Jener: „Lieben soll ich immerdar
Meinen Gott von ganzer Seele, ihn den Herrn nur treu und wahr.”[2]
Kaum verhallten seine Worte, da auch strömte hin sein Blut,
Als ein neues Opfer blinder, gräßlicher Tyrannenwuth.

Und den letzten Sohn der Mutter rief der Kaiser zu sich hin,
Ihn, den Jüngsten, einen Knaben, der mit kindlich reinem Sinn
In des Herrschers finst’res Auge blickte ohne Furcht und Scheu,
Jugendfrische in dem Antlitz, in dem Herzen Lieb’ und Treu’.

„Lieber Knabe!” sprach der Kaiser mit verstellter Freundlichkeit,
„Du gewiß bist vor dem Bildniß dich zu neigen wohl bereit!”
„In der Schrift,” so rief der Knabe, steht: „Erkennt und glaubt die Lehr’:
Gott im Himmel und auf Erden ist der Herr, und keiner mehr.”[3]

Und der Kaiser bittet hastig: „Sieh, vom Finger werf’ ich hier
Diesen gold’nen Ring zu Boden, nimm’ ihn auf und bring’ ihn mir,
Daß, wenn du nach ihm dich bückest, doch das Volk sei überzeugt,
Hättest mein Gebot erfüllet, dich vor meinem Gott gebeugt!”

Da beginnt das Kind zu weinen, und zum Herrscher drauf es spricht:
„Wie? du scheust dich vor den Menschen und ich sollte doch mich nicht
Fürchten selbst vor Gott, dem König aller Kön’ge, der die Welt
Einst erschuf sammt allen Wesen, dessen Allmacht sie erhält?”

Zornentbrannt befiehlt der Kaiser: „Schlagt ihn an den Pfahl geschwind!”
Doch die Mutter küßt noch einmal brünstig ihr geliebtes Kind,
Läßt noch einmal ihn, den Knaben, in den Mutterarmen ruh’n,
Und von ihren Lippen tönen schmerzerfüllt die Worte nun:


  1. 5. B. M. 4, 39.
  2. 5. B. M. 5, 6.
  3. 5. B. M. 4, 89.
Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/152&oldid=- (Version vom 1.8.2018)