Seite:Neuda-Stunden der Andacht-1858.pdf/26

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ihre Bahn vorgezeichnet, daß sie zur rechten Zeit auf und nieder gehen; du führest herauf nach jedem Tag den stillen Abend, um Ruhe und Schlummer zu geben der milden Erde, und lässest einen frischen Morgen anbrechen nach jeder Nacht, um neu zu beleben und zu erwecken, Alles was schlummert und ruhet. – Du wirst auch zur rechten Zeit dein tröstend Himmelslicht uns senden, wenn die Nacht des Elends und des Mißgeschickes unser Dasein verfinstert; du wirst die Sonne deiner göttlichen Gnade und Huld uns leuchten lassen, wenn Kümmernisse und Sorgen unser Leben umwölken; du wirst den Abendschatten über uns heraufführen, wenn des Schicksals heiße Gluthen uns zu verzehren drohen.

Und so will ich denn mit diesem frohen Vertrauen zu dir, Allvater, mein Tagewerk beginnen, das du segnen mögest aus der Fülle deiner Gnade, daß es mir und den Meinigen zum Heile gereiche. Amen.


Am Donnerstag.

„Gott wie viel sind deine Werke,
Du hast sie alle in Weisheit geschaffen.”
 (Ps. 104, 24.)

Wie groß sind deine Werke, Herr. Ein Tag verkündet dem andern deine Wunder, ein Tag erzählt dem andern deine Huld und Liebe für deine Geschöpfe.

Am fünften Tage der Woche hat dein Schöpfungswille alles Lebensbegabte auf Erden ins Dasein gerufen. Wie viel, wie zahllos sind deine Geschöpfe, die diesen Erdball bewohnen, wie verschieden ihr Wesen, ihre Gestalt, ihre Triebe und Bedürfnisse – und über alle wachet dein Vaterauge, und für alle sorget deine Vaterhuld. Was in den Wüsten und Einöden lebt, oder in den üppigen, fruchtreichen Thälern sich aufhält, was hoch in den Lüften seinen Flug hat, und was tief im Meeresboden sich bewegt, sie Alle sind von dir bedacht und versorgt. Sie rufen dich an in der Sprache ihrer Noth, und du erhörest sie, und gibst einem Jeden nach seinem Bedarf. Wie sollte dein Auge nicht auch auf mich ruhen, der du mich so sehr begabt und ausgestattet hast mit den Zeichen deiner Huld und Liebe.

Drum will ich denn froh und freudig dich preisen, mein Gott, mit vollem, freudigem Herzen die Pflichten erfüllen, die mein Beruf und meine Stellung in der großen Wesenkette mir auferlegen,

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)