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bessern Wandels, eines reinern Lebens zu befleißigen, ich gelobe mich dir, o Gott, heute aufs neue an; mit neuer Liebe und neuem Eifer will ich deine Gebote befolgen, deinen heiligen Willen zu dem meinigen machen, und vor dir wandeln in Demuth und Unterwürfigkeit. Allerbarmer! mögen meine Thränen und meine Reue, meine aufrichtigen und innigen Entschlüsse wirksame Fürsprecher für mich an deinem Throne sein, daß du versöhnt und freundlich auf mich niederblicken und mich befreien mögest von meiner Schuld, daß ich gereinigt und geläutert das neue Jahr beginne, damit es mir und den Meinigen Glück und Segen bringe. Gib, daß des Schofars mahnende Stimme das ganze Jahr in unserm Innern wiederklinge, um uns an dein allsehendes Auge und an den Tag des Gerichts zu erinnern, auf daß wir stets das Gute lieben, das Rechte üben, und jeden Reiz und Trieb zur Sünde überwinden, wie du bezwingest deinen Zorn und dich hüllest in Huld und Gnade.

„Heil dem Volke, das den Schofarklang[1] verstehet, es wallet, Herr in deinem Lichte, in den Strahlen deines Angesichtes.“


Betrachtung am Neujahrs- und Versöhnungstage.

„Meine Sünden haben mich ergriffen,
Ich wage nicht sie anzublicken.“
 (Ps. 40, 13.)

Mein Gott, wie furchtbar und verabscheuungswerth ist die Sünde! – Rein hast du die Seele geschaffen und uns eingehaucht, aber die Sünde schlingt sich an ihr hinauf, wie eine böse Pflanze, die dem Baume seine Nahrung entzieht, und entweiht die Tochter des Himmels, und entstellt in ihr das erhabene Bild des Schöpfers; sie nistet sich ein in unser Herz und verlöscht in ihm den göttlichen Strahl, zerstört in ihm jeden Keim zum Guten. Sie richtet sich auf, als eine furchtbare Scheidewand zwischen dem entweihten Geschöpfe und der heiligen hocherhabenen Gottheit, sie beraubt uns der süßen Tröstungen des Glaubens, und des erhebenden und beseligenden Aufblickes zu dir, mein Gott; sie vernichtet das frohe Bewußtsein, und die Ruhe und Zufriedenheit des Gemüthes, verdunkelt den Himmel in uns, bedeckt uns mit Scham und Schmach und erfüllt uns mit Reue und Qual.


  1. Vorlage: Schafarklang
Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)