Seite:Neuda-Stunden der Andacht-1858.pdf/88

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zwar zarte, aber durch treue und innige Ergebenheit gestählte Stütze, daß in unsrer Ehe sich bewähre, was geschrieben steht: „Ich bin meines Freundes, und mein Freund ist mein!“

Allmächtiger, tief und innig fühle ich den Umfang und die Heiligkeit all dieser Pflichten; aber werde ich auch stets die Kraft, die Weisheit und den Muth besitzen, sie in ihrer ganzen Ausdehnung und in jeder Lage des Lebens zu üben? –

O, du mein Gott, der du mich von Kindheit an in Liebe und Vaterhuld geleitet, der du stets zu mir gesprochen, bald durch die sanfte Stimme meiner Eltern und Lehrer, bald durch die mächtige Herzensstimme in mir, bald durch die noch mächtigere Stimme der Ereignisse, dich flehe ich voll Inbrunst und Demuth an. Verlaß mich ferner nicht, gib deine Huld als Geleiterin mir mit in das neue Leben, dessen Schwelle ich heute betrete; leite mich mit deiner Weisheit, stehe mir stets rathend und warnend zur Seite, wo Rath und Warnung mir Noth thun; laß mich stets beseelt sein von dem Geiste der Sanftmuth, der Geduld und des Friedens; erhalte mir das Herz meines Gatten in Liebe und Achtung, und laß mich ihm stets erscheinen im Schmuck und Gewand der Tugend und Anmuth, „daß ich nie fürchten muß das Erkalten seiner Liebe, das Versiegen seiner Zärtlichkeit.“

Segne unsern Bund, daß er uns werde ein fester, dauerhafter, heilbringender fürs ganze Leben; daß wir stets in seliger Uebereinstimmung den Regungen zum Guten folgen und die höhere Bestimmung des Lebens zu erreichen streben. Gib, daß unser Haus werde wie das Haus unserer Erzmütter Sara, Rifka, Rahel und Lea, erfüllt mit Liebe und Gottvertrauen, gesegnet von Allen, die darin ein- und ausgehen.

Doch, mein Gott, wenn ich für das Glück meiner eigenen Zukunft zu dir stehe, wie sollte ich nicht die in mein Gebet einschließen, die mir theurer sind, als mein eigenes Ich – meine Eltern, die Wächter meiner Kindheit, die Leiter meiner Jugend, die Bildner meines Herzens, die Schutzgeister meines Lebens. Wahrlich, die Sprache ist zu arm, um die Fülle von Liebe, Güte und Aufopferung zu bezeichnen, mit der Vater und Mutter mich überhäuften. Wie sollte ich für alles dies den Dank ihnen abzutragen im Stande sein. Drum flehe ich zu dir, mein Vater im Himmel, vergilt du mit deiner Allliebe ihre elterliche Treue und lege all die Segnungen auf ihr Haupt, die mein Herz für sie ersehnt.

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/88&oldid=- (Version vom 1.8.2018)