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Pfui! – Wie doch Ihrem Ruhm der Schlaf die Kron’ aufsetzt!
Mit Lächeln honigsüß, mit Worten wohlgesetzt
Empfingen Sie für ihn, hoch auf der Rostra Stufen,

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Der ernsten Assemblée vereintes Bravorufen!


Ihr, die für hehren Tod ihr ihm verpflichtet seid:
Sein schönstes Opfer du, Martyr im Priesterkleid!
Du nachgebornes Kind, Bluterbe düstrer Jahre –
Zu frühe Waise du, gewiegt auf einer Bahre!

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Entzweite Brüder ihr! Jungfrauen, bleich, verzagt;

Die ihr als einz’gen Schmuck blutfeuchte Palmen tragt!
Ihr Alle, die ihr ihn anklagt vor Gottes Throne,
Die er für ew’ge Zeit getrennt mit kaltem Hohne:
Gattinnen, Schwestern ihr! Und du in deinem Schmerz

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Gebeugtes, zuckendes, zerriss’nes Mutterherz;

Du, das jetzt keinen Sohn mehr hat, als kalte Knochen –
Hat jener Bravoruf sich Bahn zu Euch gebrochen?!

     Köln, 3. Dezember 1848

Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Freiligrath: Neuere politische und sociale Gedichte. Erstes Heft. Zweiter Abdruck.. Selbstverlag des Verfassers, Köln 1849, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuere_politische_und_sociale_Gedichte_Freiligrath_1849.pdf/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)