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der gegen das Schloß Ortenburg gelegenen Seite, eine Art, anfänglich schmaler, nachher aber sich erweiternder, etwa acht Schritte in den Berg hinein gehender Höhle, – gegenwärtig der Fledermäuse Residenz – die Judenschule genannt, von welcher man sich Folgendes erzählt.

Zur Zeit der Judenverfolgungen sollen, um sich zu sichern und ihre Religionsübungen ungestört forttreiben zu können, sich mehrere Juden daselbst versammelt und feierlich angelobt haben, daß, wenn sie unentdeckt blieben und ungestört mit ihrem Vermögen nach Polen gelangten, sie dieses nie vergessen, vielmehr jährlich an einem bestimmten Tage an diesem Orte eine reichliche Spende vertheilen würden.

Ihr Abgang muß ungehindert geschehen sein; denn als einst im sechszehenten Jahrhundert eines Sonntages (soll der Erlösungstag aus der babylonischen Gefangenschaft gewesen sein) nach der Frühkirche, ein ehrsamer Bürger Budissins, Namens Gotthelf Arnst in dieser Gegend lustwandelte, trieb ihn die Neugierde diese Höhle zu besuchen. Er trat hinein und – wahrscheinlich war sie zu jener Zeit geräumiger, als gegenwärtig – erblickte sieben Männer in polnischer Judentracht, mit ehrwürdigen weißen Bärten, sitzend um eine runde Tafel und in Goldstücken wühlend. Bestürzt über diese ungewöhnliche Erscheinung wollte er zurückgehen; allein Einer derselben redete ihn freundlich an und sprach: „Fürchte Dich nicht! Denn wir sind nicht da, um Böses, sondern um Gutes zu thun!“ worauf er ihm denn erzählte, was der geneigte Leser bereits weiß, nämlich ihre ungestörte Reise nach Polen vor mehreren hundert Jahren, und daß ihre abgeschiedenen Geister jährlich an diesem Tage hier zusammenkämen und ihrer Rettung wegen, den, der sie hier träfe, mit Golde beschenkten. „Nimm daher – fuhr er fort – so viel Du kannst und willst; denn nur einmal

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Joachim Leopold Haupt (Hrsg.): Neues Lausitzisches Magazin, Sechszehnter, Neuer Folge dritter Band. Heyn’sche Buch- und Kunsthandlung, Görlitz 1838, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neues_Lausitzisches_Magazin_16_NF3_1838.pdf/140&oldid=- (Version vom 1.8.2018)