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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898

er nicht gar zu sehr über das Mass hinausging. So bildete sich ein förmlich herzlicher Verkehr heraus, der ihm die treue Anhänglichkeit seiner Schüler für das ganze Leben sicherte.

Charakteristisch für ihn war auch ein Zug von Selbstironie, der oftmals wiederkehrte, wie er zum Beispiel seinen Vortrag über Baukonstruktion einmal folgendermassen eröffnete: «Meine Herren, ich habe in meiner Praxis drei grössere Bauten ausführen müssen, – und alle drei sind mir verunglückt! Ich hatte eine Kirche zu bauen mit der Bedingung, dass man die Kanzel von allen Plätzen aus sehen solle – und als die Kirche fertig war und der Pfarrer predigen wollte, sah ihn der grösste Teil der Gemeinde

gar nicht! Dann hatte ich ein Stadttor zu bauen, das den grössten Lastwagen durchlassen sollte. Als jedoch der erste schwerbeladene Heuwagen hindurchfahren wollte, blieb er stecken! Endlich hatte ich ein Rathaus zu errichten mit einem Turme über dem Eingang – und der Turm fiel mir ein!» Ein wahrer Sturm von Heiterkeit erhob sich, wobei er sehr vergnügt mitlachte und schliesslich erklärte: «Und nun meine Herren, will ich Ihnen auch gleich zeigen, warum dies passirte, und wie Sie es bei Ihren zukünftigen Bauten vermeiden können».

Das Colleg über Baukonstruktion wurde nun der Ausgang zu neuen Studien, aus denen sein bedeutendstes Werk hervorgehen sollte. Für das Kapitel über Holzkonstruktionen begann er Aufnahmen an alten Holzhäusern zu machen, in denen die

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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898. Zürich 1898, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neujahrsblatt_der_Kunstgesellschaft_in_Z%C3%BCrich_f%C3%BCr_1898.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)