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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898

Da sich Gladbach selber strenge an diese Regeln hielt, so war es nicht zu verwundern, dass ein Aquarell stets aussah wie das andere, und die gute Natur nicht sehr glimpflich dabei wegkam. Und doch hatte diese Art auch wieder eine grosse Berechtigung: als Hintergrundsmalerei für Architektur- und Ingenieurprojekte. Hier darf die Malerei gerade nicht malerisch sein, sondern hat sich, in gewissem Sinne stilisirend, der Zeichnung anzupassen, damit das Projekt möglichst hervorgehoben werde und sie nur den begleitenden Hintergrund bilde. Und wie viele solcher Blätter hat der alte Professor in seinem langen Leben für Schüler gemalt. Blatt um Blatt giengen sie hinaus in die Welt, oft an sich kleine Kunstwerke, und hunderte von Schülern bewahren daran ein teures Andenken an ihren liebenswürdigen Lehrer. –

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Auf seinem Arbeitstische lag stets ein kleines aufgeschlagenes Buch, sein Tagebuch. Von jedem Tage seines Lebens, von früher Jugend bis zu den letzten Stunden zeichnete er auf, was er erlebte und arbeitete. Meist sind es kurze Notizen ohne poetischen Schwung, aber oft auch rührend naiv und von unendlicher Güte zeugend.

Auf diesen Tagebüchern und seinen Erzählungen fussend, sind die folgenden Notizen über sein Leben gegeben. Ausserdem ist eine kurze von ihm selbst 1894 verfasste Biographie, sowie das von ihm aufgestellte genaue Verzeichnis seiner Werke vorhanden. – In der Schweizerischen Bauzeitung vom 16. Januar 1897 erschien eine Biographie Gladbachs von Professor Lasius, welcher der Verfasser auch einige Daten verdankt.




Ernst Gladbach entstammt einer geistreichen deutschen Schwärmerfamilie. Sein Vater, Fritz Gladbach, war als junger Mann nach Paris gegangen, von Freiheitsideen begeistert und seine gute Advokaturpraxis in Hannover im Stiche lassend. Nach mannigfachen Schicksalen in der republikanischen französischen Armee (er kämpfte unter Hoche) kam er nach Gründung des Kaiserreiches nach Darmstadt als Legationsrat, wo er sich mit einem Fräulein Hessemer verheiratete. (Von ihm ist ein sehr interessantes Tagebuch vorhanden, das wertvolle Aufzeichnungen aus dieser bewegten Zeit enthält und entschieden kulturhistorischen Wert besitzt). – Sein ältester Sohn Georg machte die Freiheitsbewegung der dreissiger Jahre in Deutschland mit und musste nach der Schweiz fliehen, wo er in Aarau Professor an der Kantonsschule wurde. Dem jüngeren

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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898. Zürich 1898, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neujahrsblatt_der_Kunstgesellschaft_in_Z%C3%BCrich_f%C3%BCr_1898.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)