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Georg Ebers: Der Canal von Suez. Aus: Nordische Revue. Band 2

über die Verbindung der beiden Meere fand. „In jenen Tagen habe ich mich,“ so erzählt Lesseps selbst, „zum erstenmale nach der Bedeutung der Landenge von Suez ernstlich umgeschaut und aus den gelehrten Mittheilungen des Herrn Lepère Aufklärung über die Geschichte des Canals erhalten.“

Damals regierte Mehemed Ali[1] in Aegypten, der den jungen Diplomaten sehr wohlwollend aufnahm, weil er den Vater desselben gekannt hatte, der als erster französischer Geschäftsträger, nach dem Abzuge der Pyramiden-Armee, von Napoleon und Talleyrand zum Nile geschickt worden war, um die englische Politik zu bekämpfen, welche sich’s angelegen sein ließ, das barbarische Regiment der Mamelucken in Aegypten zu begünstigen. Dieser Herr von Lesseps (der ältere) war es gewesen, der in Mehemed Ali, einem früheren Tabakshändler, welcher sich zum Oberst in der türkischen Armee aufgeschwungen, den Mann gefunden hatte, dessen man sich bedienen konnte, um die Macht der Mamelucken zu brechen und das verkommene Aegypten dem europäischen Handel wieder aufzuschließen. – Mehemed Ali erfüllte, was man von ihm erwartet hatte. Er wußte als Vicekönig den Ertrag seines Landes und die Verkehrsfähigkeit desselben, wenn auch fast ausschließlich für seinen eigenen Vortheil, zu verzehnfachen. Er brach die Macht der Mamelucken; aber er that es freilich in etwas sonderbarer Weise. Eines Tages lud er sie Alle zum Gastmahle nach der Citadelle von Cairo ein. Sie kamen; als sie sich aber im reichsten Waffenschmucke an die Tafel setzen wollten, fielen plötzlich aus dem Hinterhalte tausend Schüsse, welche nicht eher schwiegen, bis 3-400 dieser wilden, aber ritterlichen Helden, ohne sich wehren zu können, in dem verschlossenen Hofe der alten Feste verblutet waren. Nur ein einziger entkam durch die Treue und wunderbare Kraft seines edlen Rosses. Mehemed Ali war ein Schlächter und Bluthund, ein Bedrücker und Gottesverächter; aber er war von der anderen Seite ein milder Vater, ein vorsorglicher Regent, ein fortschrittlicher Geist und ein frommer Mann. Fürst Pückler nennt ihn den Napoleon des Ostens und hebt seine Tugenden in den Himmel, während General Heilbronner den Fluch Gottes auf ihn herabruft. Mehemed war eben einer von jenen groß angelegten Menschen, die ganz bestimmten Zielen unaufhaltsam nachstreben und niemals, weder im Guten, noch im Bösen, die gewöhnlichen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Muhammad Ali Pascha war 1805-1848 Vizekönig in Ägypten.
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Georg Ebers: Der Canal von Suez. Aus: Nordische Revue. Band 2. Leipzig: Veit und Comp. 1864, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nordische_Revue_Band_2_(1864)_010.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2016)