Seite:OAB Freudenstadt 029.png

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frei und nicht selten trifft man daselbst in kalten, nördlich gelegenen Schluchten im Monat Juni noch einzelne Stellen mit Schnee bedeckt. Dagegen sind die klimatischen Verhältnisse in den Thälern, der tieferen und vor rauhen Winden geschützteren Lage wegen, bedeutend milder; den Sommer über herrscht in denselben öfters eine beinahe unerträgliche Schwüle, weil die Sonnenstrahlen in den engen, tiefen Thälern und wegen Mangels an bewegter Luft hier kräftiger wirken als auf freien Ebenen. Übrigens sind auch hier die Nächte meist kühl. Der Winter dauert sehr lange, meist vom Monat Oktober bis in den Mai, so daß der Frühling schnell in den Sommer und dieser mit kurzem Herbst in den Winter übergeht. Die Ernte tritt auf den Höhen 8–14 Tage später als in den Thälern und in dem östlichen und südöstlichen Theile des Bezirks, und 3–4 Wochen später als in dem sog. Gäu ein. Der Reichthum an Flüssen, Bächen, Quellen, Seen und Sümpfen, wie die überaus große und ausgebreitete Waldvegetation, welche den beschatteten Boden fortwährend feucht erhält, bewirken eine sehr starke Ausdünstung, daher Nebel häufig vorkommen. Bei regnerischer Witterung oder kurz nach derselben, sieht man aller Orten wolkenartige Dünste aufsteigen, die in den Thälern und an den Bergen herumziehen und bald zu Wolken zusammengeballt öfters Wochen lange die höheren Berge umhüllen. Das Volk sagt dann: „die Hasen backen Eier, wir bekommen noch mehr Regen“; was in der Regel zutrifft, indem sich diese zusammengehäuften wässerigen Dünste bald wieder auf die Erde als Regen oder Schnee niederschlagen. In Folge dieser Niederschläge und weil sich überhaupt die Wolken auf gebirgige Waldgegenden weit kräftiger entladen, ist der wässerige Niederschlag als Regen, Schnee, Thau etc. in dem Bezirk ein weit bedeutenderer als in flachen kultivirten Gegenden. Den Winter über fallen sehr beträchtliche Schneemassen, welche die Wege öfters längere Zeit unbrauchbar machen und den Anzug des kommenden Sommers verspäten; dieselben häufen sich öfters so sehr an, daß z. B. die kleineren Wohnungen auf dem Kniebis bis an das Dach im Schnee begraben sind. Frühlingsfröste sind nicht selten und selbst mitten im Sommer kommen Reifen vor; dagegen sind Gewitter, die in der Regel von Westen her ziehen, nicht besonders häufig, indem sich dieselben an dem Gebirge stoßen und sich mehr in der Rheinebene entladen oder dieser entlang ihre Richtung nehmen. Kommen aber die Gewitter von Osten her, dann stoßen sie sich an den bewaldeten Höhen und entladen sich auf eine furchtbare Weise über den Bezirk. Hagel ist selten und weniger für die Felder gefährlich, indem sich derselbe meist auf die Waldungen

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Karl Aue, Stuttgart 1858, Seite 029. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Freudenstadt_029.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)