Seite:OAB Freudenstadt 063.png

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insbesondere die Pathen, größere Portionen in farbigen Tüchern oder Säckchen in der Hand mit nach Hause nehmen. Zu der Taufsuppe werden außer den Gevatterleuten und der Hebamme häufig auch der Ortsgeistliche und Schulmeister mit ihren Frauen eingeladen. – Nach einem alten Gebrauche müssen die Gevatterinnen den Gevattermännern nach der Taufsuppe Nüsse zum Geschenk machen, und, falls sie sich dessen weigern, sich gefallen lassen, daß ihnen diese die Rocktaschen abschneiden. – Außerdem verlangt die Sitte, daß die „Dote“ dem „Dötle“ nach 1/4 bis 1/2 Jahr einen theilweisen und nach 11/2 bis 2 Jahren einen vollständigen Anzug machen lasse. Ersterer wird „Hebhäs“, letzterer „Dotenhäs“ genannt. – Bei Leichen, Jahrmärkten, Kirchweihen etc. finden keine besondere, von anderen Gegenden abweichende Gebräuche statt. – Die sog. „Heukatz“ besteht in dem Regaliren der „Ehehalten“ (Dienstboten) und Taglöhner mit Wein und sog. „Straubezen“ (ein Schmalzbackwerk) nach glücklich beendigter Heuernte.

Hie und da kommt auf dem Lande das „Maienstecken“ noch vor, d. h. es wird am 1. Mai dem einen oder dem andern Mädchen entweder zu Ehren eine kleine, mit Bändern verzierte Rothtanne, oder zum Schimpf eine Weißtanne ohne Bänder oder gar die „Mistbähr“ vor den Fenstern aufgepflanzt.

Eine allgemeine Sitte ist das Zutrinken in den Wirthshäusern, wobei die Nichtannahme des mit dem Ausdruck: „Trink auch“ oder „Will Dir’s gebracht haben“ angebotenen Glases als Zeichen einer unfreundlichen Gesinnung oder unter Umständen selbst als Beleidigung angesehen wird. – Das Schießen in der Neujahrsnacht findet zwar noch statt, aber in weit beschränkterem Maße, als früher.

Volksspiele, wie das Eierlesen, die Johannisfeuer etc. sind längst abgegangen, indessen wird in Grömbach 14 Tage vor Weihnachten von den ledigen Burschen der sog. Schanden Klos (St. Nicolaus) noch gefeiert; dabei wird ein vermummter, mit Schellen behängter Bursche im Ort herum gejagt, während die jagenden Burschen mit Peitschen knallen. Der sog. Klos führt Kohlen bei sich, mit denen er Mädchen und Anderen, die ihm begegnen, das Gesicht schwarz macht.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Karl Aue, Stuttgart 1858, Seite 063. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Freudenstadt_063.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)