Seite:OAB Nagold 137.png

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Spitze nächst der Kirche vertheidigt, was die daselbst noch vorhandenen Grundmauren hinlänglich bekunden. Die Volkssage vermuthet hier eine zweite Burg, die längst abgegangen sei. Die Stadt hatte zwei Thore, das obere und das untere Thor; das obere stand in der Nähe des Schlosses und wurde vor etwa 35 Jahren abgebrochen, das untere schon früher abgegangene, stand an der gepflasterten Steige unterhalb der Kirche. 1

Das den Freiherrn von Gültlingen gehörige Schloß, auch das obere Schloß genannt, wurde im Jahr 1846/47 auf die Grundmauern des ursprünglichen Schlosses erbaut; es besteht aus zwei, durch einen Zwischenbau verbundenen Gebäude die auf den Ecken mit Erkern versehen sind, wie überhaupt bei der ganzen Ausführung des Schlosses der mittelalterliche Spitzbogenstyl nachzuahmen gesucht wurde. Das Innere desselben ist sehr gut eingerichtet und von dem oberen Stockwerke genießt man eine äußerst anziehende Aussicht einerseits in das Kollbach-, andererseits in das Bruderbachthälchen. Vor dem Schloß breiten sich Gartenanlagen aus und mit seinem Rücken lehnt es sich an den uralten Mantel der ehemaligen Burg; derselbe ist aus Buckelsteinen erbaut, 10′ dick, 80′ lang, 120′ hoch, hat oben einen mit Schießscharten versehenen bedeckten Gang und an beiden Enden je ein festes Thürmchen. Auf den Mantel konnte man von dem ursprünglichen Schloß unmittelbar gelangen und gegenwärtig erreicht man den obern Gang desselben mittelst eines von dem Schloßgebäude an dem Mantel hinauf geführten, hölzernen Treppenhauses. Dieses ehrwürdige, sehr interessante Bauwerk, das mit seinen rundbogigen Eingängen im oberen Gang, seinen runden Wulsten unterhalb der Thürmchen und des Gangs, wie nach den uralten Steinmetzzeichen an den großartigen Buckelsteinen, dem früh romanischen Baustyl angehört, scheint in dem 12. Jahrhundert aufgeführt worden zu sein. Die noch vorhandenen, ebenfalls aus Buckelsteinen aufgeführten Grundmauern des Schlosses, an denen sich ähnliche Steinmetzzeichen wie an dem Mantel befinden, stammen aus der gleichen Periode und zeugen, daß Schloß und Mantel zu gleicher Zeit erbaut wurden. Hinter dem Mantel steht in freundlichen Gartenanlagen der Rest eines viereckigen Thurms, in welchem sich noch das ehemalige Burgverließ erhalten hat. Sämmtliche Schloßgebäude nebst den Gartenanlagen sind überdieß noch mit einer Mauer umfriedigt. Zunächst (nordwestlich) des Thurmrestes führt ein tiefer, in den Felsen gehauener Graben quer über den Bergrücken und schließt die überaus starke Befestigung an der Nordwestseite des Städtchens ab. Unterhalb (südwestlich) des oberen Schlosses steht das untere Schloß, ein dreistockiges

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Nagold. Karl Aue, Stuttgart 1862, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Nagold_137.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)