Seite:OAB Nagold 152.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

von Nagold nach Altensteig; Vicinalstraßen sind nach Mohnhardt, Rothfelden und über Ebershardt nach Warth angelegt.

Der Ort ist mit gutem Trinkwasser hinreichend versehen; es bestehen 4 laufende Brunnen, von denen der dreiröhrige Marktbrunnen im J. 1846 mit einer im germanischen Styl schön gearbeiteten Brunnensäule geschmückt wurde.

Die durch den Ort fließende Nagold tritt öfters aus ihrem Bett, ohne jedoch an den Thalwiesen und an den Gebäuden beträchtlichen Schaden anzurichten; nur in dem Jahr 1824 haben die Hochfluthen des Flusses nicht allein 5 Häuser, sondern auch die steinerne Brücke mit sich fortgerissen. Die Fischerei, vorzugsweise auf Forellen, Aschen und Schuppfische, ist nicht unbeträchtlich und der Absatz der Fische nach Wildbad ein einträglicher. Das Fischrecht haben Privaten. Der Mühlbach vereinigt sich zunächst der Orts-Brücke mit der Nagold. In der Nähe der Ziegelhütte kommt die Benennung „Weiherwiesen“ vor, was auf einen hier bestandenen Weiher hinweist.

Die Einwohner sind im Allgemeinen kräftig und wohlgestaltet; dagegen erscheint hier unter einzelnen Familien der Kretinismus in auffallender Weise, und gegenwärtig befinden sich, außer mehreren Simpelhaften und Kropfigen, etwa 15 ausgebildete Kretins, worunter 8–9 taubstumm sind, im Ort. Die Haupterwerbsquellen sind Gewerbe, Feldbau und Viehzucht; viele der Einwohner suchen sich ihr Auskommen durch Arbeiten in Fabriken und durch Taglohnen zu sichern. Zu Folge des vielseitigen Verkehrs und des häufigen Reisens im In- und Auslande sind die Einwohner aufgeweckter, gewandter im Umgang als die gewöhnlichen Dorfbewohner.

Die Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen, indem die Mehrzahl der Einwohner minder bemittelt ist; der größte Güterbesitz beträgt 50–60 Morgen, der mittlere 15–20 Morgen, der geringste 1 Morgen und mehrere haben gar kein Grundeigenthum. Gegenwärtig erhalten 20 Personen Unterstützung von Seiten der Gemeinde. Von den Gewerben, unter denen die Flanellfabrikation die erste Stelle einnimmt, sind zu nennen:

1) Die mechanische Wollspinnerei von Frick und Reichart mit 10 Spinnstühlen; sie beschäftigt 25–30 Personen und arbeitet um den Lohn für die Meister im Ort und in der Umgegend.

2) Etwa 20 Meister treiben die Flanellfabrikation auf eigene Rechnung und beschäftigen gegen 200 Personen; sie sehen ihre Waaren nach Bayern, Baden, nach der Schweiz und zunächst in das Inland ab.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Nagold. Karl Aue, Stuttgart 1862, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Nagold_152.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)