Seite:OAB Nagold 185.png

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der Nähe des oberen Thors standen die Reste der ehemaligen Burg, welche, zuletzt zur Kornschütte dienend, nach dem Brande vollends abgetragen wurden.

Seit der Ort seine Mauern und Thore verloren hat, sieht er mehr einem Dorfe ähnlich, um so mehr, als die Gebäude weniger ein städtisches als ein ländliches Aussehen haben.

Von den ziemlich reinlich gehaltenen, größtentheils mit Kandeln versehenen Ortsstraßen gehören die Nagolder- und die Bösinger-Straße zu den bedeutendsten. Von öffentlichen Plätzen sind der Marktplatz, der Viehmarktplatz und der Kirchplatz (ehemaliger Gottesacker) zu nennen.

Die an der südöstlichen Seite der Stadt stehende, ursprünglich im Übergangsstyl erbaute Kirche ist im Jahr 1856 durchgreifend verändert und das Langhaus derselben in dem germanischen Styl erneuert worden. Der noch erhaltene ursprüngliche Thurm ist viereckig, ziemlich hoch und zeigt noch sichtliche Spuren der romanischen und der Übergangsperiode; das unterste, mit einem Kreuzgewölbe gedeckte Stockwerk desselben vertrat die Stelle des ursprünglichen Chors, dessen 3seitiger mit Streben versehener Chorschluß über den Leib des Thurms hinausragt. In dem Chorschluß sind an den Wänden steinerne Consolen angebracht, auf denen Figuren standen. Von dem unteren Stockwerk des Thurms führt ein spitzer Triumphbogen in das neu angebaute Langhaus, dessen Inneres hell, weiß getüncht und flach gedeckt ist. Der hohle, achteckige, becherförmige Taufstein stammt noch aus der früheren Kirche. In der Nähe des Altars und des Taufsteins liegt, neben mehreren der Familie Kechler von Schwandorf angehörigen Grabdenkmalen, ein Grabstein mit der Umschrift: Anno domini 1423 obiit dominus Burchardus de Nagelt rector ecclesiä etc.

Von den 3 auf dem Thurme hängenden Glocken ist die größte 1624, die mittlere 1725 und die kleinste 1758 gegossen worden.

Wegen der Baulast der Kirche wird gegenwärtig noch Proceß geführt.

Die evang. Einwohner von Alt-Nuifra und Unter-Schwandorf sind der Kirche eingepfarrt.

Der um die Kirche gelegene, für den Mutterort und die Filialisten gemeinschaftliche Begräbnißplatz ist im Jahr 1838 aufgegeben und dagegen ein neuer außerhalb (östlich) des Orts mit einem Kostenaufwand von 1600 fl. angelegt worden.

Das am 17/18. Febr. 1860 abgebrannte Stadtpfarrhaus wurde in einem freundlichen Styl und mit guter Einrichtung wieder neu erbaut; die Unterhaltung desselben hat der Staat.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Nagold. Karl Aue, Stuttgart 1862, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Nagold_185.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)