Seite:OAB Nagold 215.png

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Die klimatischen Verhältnisse sind wie in Effringen.

Die Einwohner sind sehr fleißige, geordnete Leute; religiöser Sinn, der sich nicht selten bis zum strengen Pietismus steigert, wird bei ihnen beinahe allgemein getroffen. Die Erwerbsmittel bestehen in Feldbau, Viehzucht, Taglohnarbeiten und Waldsamensammeln. Neben den nöthigsten Handwerkern bestehen 2 Schildwirthschaften mit Brauereien und eine großartige Branntweinbrennerei von W. Stähle, der hier sein großes Gut rationell bewirthschaftet. Die Vermögensumstände sind ziemlich gut zu nennen, der vermöglichste Bürger besitzt 70 Morgen Feld und 20 Morgen Wald, der sogenannte Mittelmann 30 Morgen Feld und 10 Morgen Wald und die ärmere Klasse 1/2–2 Morgen. Nur Einzelne haben gar keinen Grundbesitz. Unterstützung von Seiten der Gemeinde bedarf gegenwärtig Niemand.

In dreizelglicher Eintheilung mit 1/4 angeblümter Brache baut man die gewöhnlichen Cerealien, Kartoffeln, dreiblättrigen Klee etc.; Hanf, etwas Flachs und Kraut zieht man in eigenen Ländern. Bei einer Aussaat von 7 Sri. Dinkel, 4 Sri. Haber, 4 Sri. Gerste und ebenso viel Roggen wird der Ertrag zu 4–10 Scheffel Dinkel, 2–5 Scheffel Haber, 2–5 Scheffel Gerste (gedeiht nicht gerne) und 2–5 Scheffel Roggen per Morgen angegeben. Die höchsten Preise eines Morgens Acker betragen 300 fl., die mittleren 100 fl. und die geringsten 20 fl. Von den Getreideerzeugnissen werden jährlich 200 Scheffel Dinkel und 100 Scheffel Haber nach Außen abgesetzt, während Gerste noch auswärts aufgekauft werden muß.

Der Wiesenbau ist sehr ausgedehnt und begünstigt einen beträchtlichen Rindviehstand; die Wiesen sind 2–3mähdig und 1/8 derselben kann bewässert werden. Ein Morgen Wiese erträgt durchschnittlich 25–30 Ctr. Heu und 12 Ctr. Öhmd; die Preise bewegen sich von 80–400 fl. per Morgen.

Die mit Mostsorten und Zwetschgen sich beschäftigende Obstzucht hat sich in den letzten 20 Jahren sehr gehoben, obgleich das Obst nicht besonders gerne geräth und auch in den günstigen Jahren der Obstertrag, mit Ausnahme der Zwetschgen, im Ort verbraucht wird.

Auf der Markung kommt der Flurname „Weingart“ vor, was auf früheren Weinbau hinweist.

Der namhafte Rindviehstand, aus rother Landrace mit Simmenthaler Kreuzung, reiner Landrace und etwas Allgäuerrace bestehend, wird durch 3 Farren, welche ein Bürger Namens der Gemeinde hält, nachgezüchtet. Auf benachbarten Märkten und an Metzger wird ziemlich viel Vieh verkauft.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Nagold. Karl Aue, Stuttgart 1862, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Nagold_215.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)