Seite:OAB Nagold 256.png

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an sich trägt, wurde später ein hölzernes, achteckiges, über den unteren Theil des Thurms vorstehendes Stockwerk mit spitzem Zeltdach aufgesetzt; sein unteres Stockwerk enthält ein romanisches Kreuzgewölbe und einen rundbogigen Ausgang in die Kirche. Von dem einfach gehaltenen Inneren des Langhauses führt ein spitzer Triumphbogen in den Chor, dessen schön construirtes Netzgewölbe folgende Darstellungen auf den Schlußsteinen enthält: 1) Ein geharnischter Ritter (?), 2) die Mutter Gottes und 3) der heil. Martin. Die mit einem Kappengewölbe gedeckte Sacristei bewahrt, neben anderen alten Kirchengeräthen, einen interessanten silbernen und vergoldeten Abendmahlskelch mit der Umschrift: Ave Maria; auf dem Boden desselben ist Maria, ein Heiliger und die Jahrszahl 1495 gut eingravirt. Die auf dem Thurme hängenden 4 Glocken tragen folgende Umschriften: 1) Anno domini 1426 (es folgen die 4 Evangelistennamen) mit Got und Maria, St. Martino ... 2) Osanna heis ich, Gotes Er leut ich Bernhart Lachamann gos mich 1511. 3) die 4 Evangelistennamen in alten Majuskeln; die vierte ist von Heinrich Ludwig Gosmann im Jahr 1710 gegossen worden. Die Kirche ist Eigenthum der Stiftungspflege, welche sie auch im Bau zu unterhalten hat. Der erste evang. Stadtpfarrer war Andreas Cellarius von 15..–1562 und der erste Diacon Joh. Paludanus von 1557–1558 (s. Binder Kirchen und Lehrämter S. 552.).

Der Begräbnißplatz, welcher früher um die Kirche lag, ist längst aufgegeben, und hiefür ein neuer im Jahr 1586 außerhalb der Stadt an der Straße nach Calw angelegt worden.

2) Das nördlich der Kirche gelegene, im Jahr 1789 neu erbaute Schulhaus, ein dreistockiges Gebäude, das 3 Lehrzimmer für die deutsche Schule, ein Lehrzimmer für die lateinische und die Wohnung des Präceptors enthält[1]. An der deutschen Schule unterrichten 2 Schulmeister und ein Unterlehrer, welche gegen Hausmietheentschädigung in Privathäusern wohnen.

Eine Industrieschule mit 2 Lehrerinnen, eine Kleinkinderschule und eine Turnanstalt sind vorhanden.

3) Das Rathhaus, ein altehrwürdiges, aus 4 Stockwerken bestehendes Gebäude, mit reichem eichenem Holzbau, das im Jahr 1480/86 erbaut wurde; es trägt auf dem First ein Thürmchen mit Glocke und hat im untern Stockwerk einen Durchgang, durch den die sogen. Kirchgasse


  1. Der erste Präceptor war M. Balth. Bästlin von 1547 bis .... Im 14. Jahrhundert kommt vor Conrad Schreiber und Schulmeister. Cleß 3, 558.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Nagold. Karl Aue, Stuttgart 1862, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Nagold_256.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)