Seite:OABalingen0117.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Am Sylvesterabend wird in den meisten Orten ein stark besuchter Abendgottesdienst gehalten. Wenige Stunde darauf beginnt das Schießen. Die ledigen Bursche schießen den ledigen Mädchen das Jahr an und werden am Mittag des neuen Jahres von denselben mit Bier im Wirthshaus regalirt. In Balingen geben die Wirthe den Stammgästen weißes Brot und Schnaps. Früher sang der Nachtwächter in den meisten Orten mit einem Chor der ledigen Jugend das neue Jahr an, jeden einzelnen Namen nennend; der Vers lautet in Weilheim:

Wohlauf im Namen Jesu Christ,
Das alte Jahr vergangen ist!
Jetzt wünschen wir dem Herrn
Schultheiß und seinen Kindern
ein gesegnetes Jahr
ein gesundes Jahr,
ein freudenreiches neues Jahr,
Gott gebe, daß es werde wahr!

Hierauf wurden und werden, jedoch selten, Gesangbuchslieder gesungen. In Zillhausen singen Haufen von Weiber zweistimmig den Vermöglicheren das Jahr an und erhalten dafür eine Gabe an Mehl und Brot. Vielfach besteht die Sitte, in der Neujahrsnacht und am Tage um große Brezeln oft im Werth von 2–3 Mark zu spielen. Abergläubische Gebräuche schließen sich an das Neujahr nicht an, soweit zu ermitteln war, mit Ausnahme des sonst im Lande üblichen Losens.

Erscheinungsfest. In manchen Orten erscheinen die Weisen aus Morgenland. In Winterlingen ziehen 3 weißgekleidete Knaben mit dem Stern umher und singen:

Wir kommen daher in aller Gefahr,
Und wünschen euch allen ein neues gesunds Jahr,
Ein neues gesunds Jahr, eine fröhliche Zeit,
Wie’s Gott Vater vom Himmel ra geit.
Die heiligen 3 Könige aus Mohrenland
Die kommen aus Herodes sein Haus;
Herodes, der schaut zum Fenster heraus,
Herodes spricht bei Tag oder bei Nacht:
Ei warum ist denn der König so schwarz?
Ist gar nicht schwarz, ist wohlbekannt,
Ist Käsperles König aus Morgenland.
 u. s. w. 0 u. s. w.

Hilariustag, 13. Januar, Klärestag, war früher manchen Gemeinden ein Festtag. Gemeinderath und Bürgerausschuß wählte die niederen Bediensteten der Gemeinde, Hirten, Polizeidiener u. s. w. und hielten dann auf Kosten der Gemeindekasse oder auch der Gewählten ein Festessen, das bis in die Nacht hinein sich fortsetzte. In manchen Pfarrbesoldungen findet sich von dieser Sitte her noch ein kleiner Betrag, meist 86 Pf., unter der Benennung Ämterersatz. Ein Rest dieser Festlichkeit hat sich noch erhalten in dem sogenannten Durchsitz der Spinnstuben und des Außelaufhauses. In den Spinnstuben sorgen die ledigen Mädchen für das Brot, Kaffee, Milch, Schmalz, die ledigen

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0117.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)