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In Frommern und Hossingen finden sich häufig unter den Läden aufgehängte Blitzsteine, d. h. Steine, welche, dem Bach entnommen, durch Verwitterung ein natürliches Loch in der Mitte haben. Diese schützen vor Blitzstrahl. Ebenso wird noch viel Geld ausgegeben für Leute, welche für Krankheiten an Menschen und Vieh helfen oder „thun“ können. Beim Milzbrand der Schweine z. B. bohrt der Betreffende Löcher in die Sausteige, schiebt kleine Zettel hinein mit unverständlichem Zeug darauf und verspündet sie. Das soll helfen. Gegen das Schrettle, das den Pferden Zöpfe flicht, bindet man denselben Zettel mit den 3 höchsten Namen an Schweif und Mähne. Eine Rähe wird in Frommern vielfach gebraucht, d. h. es wird von einer jungen Eiche die Rinde auf der Seite abgelöst, wo keine Sonne und kein Mond hinscheint, und diese dann gedörrt, zu Pulver gestoßen und dem kranken Vieh gegeben, natürlich alles unbeschrien.

In Meßstetten springt die Hausfrau, wenn ein Gewitter in Sicht kommt, schnell ins Haus, nimmt das Tischtuch und wirft es zum Fenster hinaus, damit das Gewitter ohne Hagelschlag vorüberziehe.

In Erzingen soll man das Geflügel, wenn man es im Frühjahr zum erstenmal hinausläßt, über den linken Strumpfbändel laufen lassen, dann kommen sie wieder und verlegen nicht. Katzen soll man zu demselben Zweck nur aus dem linken Schuh fressen lassen. Bei den Schäfern, die im Bezirk zahlreich sind, findet sich noch viel abergläubisches Zeug. Beim Verschließen des Pferches geht er mit seinem Hund an jedem Posten vorüber und gibt ihm drei Schläge in den drei höchsten Namen. Sind die Schafe gebläht, so nimmt er mit der linken Hand drei Steine auf, wirft sie unter Nennung der drei höchsten Namen in die rechte, schleudert sie sodann dem kranken Thier an den Bauch, so ist’s gesund. Schafdiebe weiß der Schäfer so zu fangen, daß sie am Pferch sitzen bleiben müssen; er braucht dazu drei Nägel einer Todtenbahr. Nicht hieher gehörig ist, aber bei den Schäfern zu erwähnen, daß der Schafknecht, wenn er bis Neujahr im Freien hüten kann, einen neuen Hut bekommt.

Die Glocken spielen beim Aberglauben eine nicht unwichtige Rolle. Sie ruft den Kranken mit ihrem Ton zum Sterben. Oft kann man von solchen die Versicherung hören: ich weiß, daß ich bald sterben muß, die Abendglocke hatte ihren eigenthümlichen Ton.

Wenn Kinder in der Zeit des Zahnens zu Nachbarn oder Freunden auf Besuch mitgenommen werden, so ist es Sitte, ihnen zwei Eier zu schenken, sie zahnen dann leichter.


6. Pädagogische Gebräuche und Sagen.

Auch solcher möge einige Erwähnung geschehen.

M. berichtet über den Balinger Brand. Im Jahr 1809 brannte Balingen zum fünften Mal ganz ab. Der Blitz schlug ein, und obwohl kein Wind ging und man Wasser genug hineingoß, so griff doch das Feuer mit wunderbarer Macht um sich und war gar nicht zu löschen. Die Leute der Umgegend sagen, dieser Brand sei eine Strafe gewesen, weil die Balinger am Peter und Paulstag Heu gemacht hätten. Man erzählt auch noch: ehe der Blitz eingeschlagen, sei eine Schwalbe vor dem Fenster eines Schullehrers ängstlich hin und hergeflogen.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0132.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)